*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK 74668 ***
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[Illustration: Cover]
Landesverein Sächsischer
Heimatschutz
Dresden
Mitteilungen
Heft
9 bis 12
Monatsschrift für Heimatschutz, Volkskunde und Denkmalpflege
Band XIV
_Inhalt_: Otto Eduard Schmidt – Das neue sächsische Jagdgesetz und
die heimatliche Tierwelt – Weihnachten im Landesmuseum – Allerhand
Nach-, Er- und Bedenkliches – Die Lachmöwe in Sachsen und in den
angrenzenden Landschaften der preußischen Oberlausitz – Aus den
Tagen der Kurfürstlichen und Königlich Sächsischen Post, 1770 bis
1865 – Die Heimat spricht – Gefäßfunde in Ölsnitz i. E. – Wald und
Wild – Schloß Augustusburg als Reichsdenkmal für unsere im
Weltkrieg Gefallenen – Großsedlitz einst und jetzt – Die
Heimatschutz-Verkaufsstelle – Bücherbesprechungen
Einzelpreis dieses Heftes 3 Reichsmark
Geschäftsstelle: Dresden-A., Schießgasse 24
Postscheckkonto: Leipzig 13987, Dresden 15835
Stadtbank Dresden 610
Bankkonto: Commerz- und Privatbank,
Abteilung Pirnaischer Platz, Dresden
Bassenge & Fritzsche, Dresden
Dresden 1925
Die Heimatbücherei des Landesvereins Sächsischer Heimatschutz
1. Vom Wandern und Weilen im Heimatland von Gerhard Platz
2. Bunte Gassen, helle Straßen von Max Zeibig
3. Sächsische Landschaften von Edgar Hahnewald
4. Meine Brüder in stillem Busch, in Luft und Wasser von
Martin Braeß
5. Aus grauen Mauern und grünen Weiten von Gustav Rieß
6. Deutsche Wanderfahrten von Max Zeibig
In den Jahren nach der bösen Zeit hat uns der Büchermarkt zahlreiche
Neuerscheinungen gebracht und das Eine muß gesagt werden, wenn wir
den Durchschnitt daraus ziehen: Es ist erstaunlich aufwärts gegangen!
Die Zeit hat selbst Auslese gehalten. Die Besten unseres Volkes haben
sich abgewandt vom seichten Lesestoff früherer Zeit, der gar oft nur
süßlicher Tand war und den fühlenden Menschen nicht befriedigen konnte.
Für sie ist ein neues besseres Buch zum Bedürfnis geworden, ein Buch,
dessen Inhalt, ob ernst oder heiter, zum tiefen Erlebnis wird, und für
die Menschen, die mit beiden Füßen fest auf der Heimaterde stehen, ein
Buch, das die tief im Herzen wohnende Sehnsucht nach den Schönheiten
und Wundern der Heimat stillt.
Wir Sachsen können uns glücklich schätzen, daß uns in den letzten
Jahren eine kleine abgerundete Sammlung solcher trefflicher Bücher
beschert wurde, die sechs Bände der Bücherei des Landesvereins
Sächsischer Heimatschutz. Liebe zur Heimatschönheit, Freude an der
wundersamen Heimatnatur und Treue zur angestammten Scholle hat diese
»=Bücher des sächsischen Heimatfreundes=« entstehen lassen. Heimatliebe
und Heimatfreude wollen sie pflegen und bei denen wecken, die es
verlernt oder nie gekannt haben, sehenden Auges durch die Heimat zu
wandern, sich einzufühlen in ihre Schönheit, den tausendfältigen
Stimmen zu lauschen, die die heimatliche Natur durchklingen, neue
Hoffnung zu schöpfen aus den Denkmälern und Stätten der tausendjährigen
Geschichte unseres Vaterlandes.
Die Bücher sind nicht dazu geeignet, in einem Zuge heruntergelesen zu
werden wie Romane. Gar oft hebt sich unser Blick von den Zeilen und
wir schauen traumverloren hinaus in die Ferne und sehen mit geistigem
Auge die Heimatschönheiten vor uns erstehen, wie die Verfasser sie
erschauten.
Dann wandern wir im Geiste mit Gerhard Platz durch die
sonnenüberflutete Landschaft und im Morgennebel auf Weidmannspfaden
durch den Erzgebirgswald oder weilen mit ihm im Kreise schlichter,
glücklicher Menschen.
Wir sehen unser Land und Volk mit den Märchenaugen Max Zeibigs. Was
uns Meister Ludwig Richter im Bilde an Erbaulichem und Beschaulichem
beschert hat, das weiß Zeibig aus tief empfindendem Herzen in Worten zu
schildern.
Bei Hahnewalds Sächsischen Landschaften packt uns die Wandersehnsucht
und reißt uns mit zu froher, rascher Fahrt durchs Heimatland, heißt
doch sein Leitwort »Sehne dich und wandere.«
Gustav Rieß läßt das alte silberschwere Freiberg und das von
Bergmannsromantik durchklungene Freiberger Land vor uns erstehen und
offenbart uns die Seele einer verklungenen Zeit mit ihren Freuden und
Leiden.
Und Martin Braeß, dem Freunde der Tiere, wie trefflich gelingt es
ihm, uns unsern Brüdern im stillen Busch, in Luft und Wasser nahe zu
bringen, daß wir mit ihnen fühlen, in ihnen unsere Mitgeschöpfe sehen
lernen.
Unerschöpflich ist der Reichtum an Schönheiten, der in den trefflichen
Büchern ruht. Lies sie selbst und schaffe dir Stunden reinsten und
edelsten Genusses, verschenke sie und mache anderen eine dauernde
Freude; die Bücher lassen den fühlenden Menschen nicht los und wollen
immer wieder gelesen sein. Auf jedem Weihnachtstische sollten sie darum
liegen
die Bücher des sächsischen Heimatfreundes!
_Preis je 4 M._ Zu haben im Heimatschutz, Dresden-A., Schießgasse 24
_Bestellkarte in diesem Hefte_
Band XIV Heft 9/10 1925
[Illustration: Landesverein Sächsischer Heimatschutz Dresden]
Die Mitteilungen des Vereins werden in Bänden zu 12 Nummern
herausgegeben
Abgeschlossen am 30. September 1925
Otto Eduard Schmidt[1]
Der deutsche Touristendampfer liegt im grünen Hafen Spitzbergens vor
Anker. Seine Fahrgäste kommen eben in langer Bootsreihe von einem
Ausfluge zurück. Da löst sich von der Funkenstation ein Motorboot
und fährt den Heimkehrenden entgegen. Zwei junge Leute sind darin,
die sich mit lautem Zuruf als Deutsche vorstellen. Sie bekunden ihre
Freude über diese Begegnung mit Landsleuten so geräuschvoll und
übermütig, daß es dem feiner Empfindenden beinahe etwas weh tut, daß
er meint, einen tragischen Unterton heraushören zu müssen. Handelt es
sich hier vielleicht um das Erlebnis, das in besonderem Sinne gerade
für den Deutschen in Anspruch genommen werden muß; um das Erlebnis
des verlorenen Sohnes, der erst in der Fremde merkt, was die Heimat
für ihn bedeutet? Wir Deutsche sind im ganzen noch immer nicht so
weit, daß wir Volk und Vaterland unmittelbar als ersten Wert unseres
Weltbürgertums erfaßten. Wir haben die Männer bitter nötig, die uns auf
dem strengen Wege des Beobachtens und Erkennens zur rechten Liebe und
Begeisterung für unser Volkstum emporführen. Einem von ihnen aus warmem
Herzen für solche Arbeit zu danken, die er auf den verschiedensten
Gebieten seines öffentlichen Wirkens, auch als treuer Mitarbeiter
dieser Zeitschrift getan hat, gibt uns sein siebzigster Geburtstag die
ersehnte Gelegenheit. Wir wollen versuchen, seine Art und seine Tat mit
bescheidenem Worte zu erfassen.
Otto Eduard Schmidt ist ein Sohn des Vogtlands. Am 21. August 1855
wurde er in Reichenbach als Sohn des Kantors der Stadt geboren. Sich
selbst zu verstehen aus dem Zusammenhang mit der Familie und mit der
Landschaft, in die sie ihre Wurzeln geschlagen hatte, ist ihm immer
ein wichtiges und fruchtbares Unternehmen gewesen. Er hat der Parole:
Kümmere dich um die Geschichte deiner Familie, nachgehandelt, noch ehe
sie ein so erfreuliches Echo gefunden hatte, wie das jetzt besonders
auch in dem jüngeren Geschlecht geschehen ist. Wir hörten neulich
einen berühmten Hygieniker sagen, _der_ Mensch könne in seinem Leben
das Schwerste ertragen, der eine glückliche Kindheit gehabt habe. O.
E. Schmidt ist eine solche Kindheit beschieden gewesen, und er hat
sie nicht nur als Erinnerungsstoff zu reizvoller Erzählung gestaltet,
aus ihr hat er auch immer richtige Kräfte geschöpft, wie sie das
Leben zu meistern vermögen. Dem Unterrichte des eigenen Vaters, der
Realschule seiner Vaterstadt, die damals gerade im ersten Aufblühen
war, dankt er die feste Grundlage seiner weiteren Ausbildung. Auf ihr
konnte die Kreuzschule in Dresden den gymnasialen Abschluß in einer
kürzeren Reihe von Jahren aufbauen, als ursprünglich möglich schien.
Der »arme Kantorsgung«, dessen schmalen Geldbeutel die Fabrikantensöhne
von Reichenbach bespöttelten, ist zu einem Manne geworden, der aus
dem Schatz seines Geistes und Gemüts viele reich gemacht hat. Aber
auch äußerlich hat sein Leben einen bedeutsamen Aufstieg zu Führung
und Geltung gewonnen. Aus dem philologischen und historischen Studium
an der Universität Leipzig erwuchs eine Doktordissertation, die der
Professor Ludwig Lange angeregt, und mit der er dem jungen Gelehrten
den Weg in eine zwanzigjährige wissenschaftliche Beschäftigung mit
dem Todeskampfe der römischen Republik gewiesen hatte. Aus diesem
Studium erwuchs ein Staatsexamen, das O. E. Schmidt den Zugang zum
höheren Schuldienst Sachsens öffnete. Es liegt uns daran, diese
Seite seiner Lebensarbeit zu betonen, damit sie ja nicht hinter der
schriftstellerischen zurücktritt. Er hat es eben fertiggebracht, als
Lehrer und Schulleiter ganz seinen Mann zu stellen und zugleich in
unbeirrbarem Fleiß und unbeugsamer Willenskraft den Weg des Forschers
und Volkserziehers zu verfolgen. Vier Stätten teilen sich in seine
amtliche Wirksamkeit. Das Staatsgymnasium in Dresden-Neustadt, das
für ihn wie für manchen anderen immer mit dem Zauber der ersten Liebe
zum Beruf umwoben blieb. Die Fürstenschule zu St. Afra in Meißen, in
deren Lebensbereich zu gehören bei Lehrern wie Schülern gesunderweise
immer ein gewisses Hochgefühl weckt. Das Wurzener Gymnasium und das
Albertinum in Freiberg hat er dann als Rektor geleitet. Schon dieser
Anstieg zeigt, daß ihm die Anerkennung der obersten Schulverwaltung
nicht gefehlt hat. Aber auch die unüberbietbar köstliche Frucht
schulmeisterlichen Strebens ist ihm gereift, die dankbare Treue der
Mitarbeiter und der Schüler. In Grubes biographischen Miniaturbildern,
deren achte Auflage O. E. Schmidt bearbeitet hat, erzählt er in einer
der fünfundzwanzig von ihm neu geschaffenen Lebensbeschreibungen von
dem Renaissance-Pädagogen Vittorino da Feltre. Wenn da vom Lehrer
die doppelte Kunst des Belehrens und Erziehens verlangt, wenn die
körperliche Ausbildung als wichtig neben die geistige gestellt, wenn
die Freude des Lehrers am fröhlichen Spiel der Jungen geschildert
wird, wenn wir den Erzieher bemüht sehen, Schädlinge von ihnen fern
zu halten, einfache Sitten und fromme Beugung unter den Willen Gottes
zum tragenden Gerüst ihres Lebens zu machen, dann sind das wohl
Erziehungsgrundsätze, die dem Erzähler bei seinem eigenen Lehrerwirken
den Weg gewiesen haben.
Über die Grenzen dieser Dienste, die dem sächsischen Schulwesen
geleistet sind, gehen die Wirkungen hinaus, die O. E. Schmidt mit
seinen Büchern hervorgerufen hat. Als der kursächsische Streifzügler
ist er wohl dem deutschen Lesepublikum am vertrautesten geworden. Wir
bilden diesen Ausdruck, um einen doppelten Irrtum zurückzuweisen, der
entstehen könnte. Er klingt an die Streifkorps und Nachzügler an,
die in wilden Kriegszeiten das Land durchschwärmen; die fahren daher
und nehmen, was sie erwischen können, und im nächsten Augenblick
sind sie flüchtig davon. Nichts von solcher rauhen, oberflächlichen,
effekthaschenden Art, wie sie durch den kriegerischen Vergleich etwa
anschaulich wird, ist der Schriftstellerei O. E. Schmidts eigen. Und
ihr Stoffgebiet ist weiter als das Gebiet von Kursachsen. Das hohe Lied
der Heimat ist eine Blüte am Baum seines Schaffens, sie fällt vielen
ins Auge und wird von vielen genossen. Aber wir dürfen Stamm und Wurzel
nicht vergessen, die ihr erst die Möglichkeit zum Aufblühen gaben.
Äußerlich angesehen scheiden sich O. E. Schmidts Schriften in zwei
Gruppen. Da ist einmal, was er über die _römische Antike_, besonders
über Cicero und seine Zeit, und dann, was er zur Geschichte und
Landeskunde Sachsens und früherer sächsischer Gebiete geschrieben hat.
Etwa bis 1900 steht das Altertum im Brennpunkt seiner Studien. In
eindringender Kleinarbeit sucht er den richtigen Wortlaut der Briefe
Ciceros und die Zeit ihrer Abfassung festzustellen. So schafft er aus
Hunderten von wissenschaftlich gesicherten Einzelbelegen den Grund,
auf dem er dann ein lebendiges Bild von der Persönlichkeit Ciceros
im Rahmen der Kulturentwicklung, in die es hineingehört, aufrichten
kann. Das geschieht in dem Hauptwerk dieser ersten schöpferischen
Periode »Der Briefwechsel des Marcus Tullius Cicero, von seinem
Proconsulat in Cilicien bis zur Ermordung Caesars«. O. E. Schmidt
hat sich darüber freuen dürfen, daß die Bewertung Ciceros, und
überhaupt die Forschungen, die in diesem Buche niedergelegt sind,
immer allgemeiner von der Wissenschaft angenommen und noch zuletzt
von Eduard Meyer in seinem Werke über Caesar und die Begründung
der Monarchie als grundlegend anerkannt worden sind. Wir sehen
übrigens den Deuter der ciceronianischen Zeit zur ersten Liebe seiner
wissenschaftlichen Arbeiten zurückkehren. Seit ihm 1919 die Pflichten
seines Amtes abgebürdet worden sind – von einem Ruhestand kann bei O.
E. Schmidt wirklich nicht die Rede sein – hat er eine durchgreifende
Neubearbeitung von Wägners Rom vollendet. Schon mit der neunten
Auflage von 1912 hatte er dieses Buch zu seiner Gesamtdarstellung der
römischen Geschichte umgestaltet; eine andere, noch ausführlichere,
liegt in dem zweiten Bande von Spamers Weltgeschichte vor.
Zwischen diesem ersten Frühling aber und seinem Johannistrieb im
siebenten Jahrzehnt keimt eine neue große Liebe auf. Seit der
Jahrhundertwende verblaßt die heroische Linie der Landschaft
Mittelitaliens und die kürzere, anmutigere Linie mitteldeutscher
Gegend prägt sich schärfer aus. 1902 erscheint der erste Band der
_kursächsischen Streifzüge_. Ihm sind vier andere gefolgt, die heute
wohl fast alle in bereicherter Auflage vorliegen. Und auch die andere
schriftstellerische Tätigkeit O. E. Schmidts, ob sie nun in großen
Werken wissenschaftlicher Art oder in Büchern und Aufsätzen für den
deutschen Leser Gestalt gewinnt, wendet sich der Heimat zu. Es ist
uns nicht bekannt, was für ein äußerer Anstoß etwa diese neue Wendung
ausgelöst haben mag. Nach ihrem inneren Gesetz erscheint sie uns aber
als eine notwendige Folge aus der Anlage des Autors. Ein Mann, dem es
gegeben ist, Leben zu erschauen und zu erfassen, der den Trieb spürt,
die geschichtlichen Wurzeln dieses Lebens bloßzulegen, muß schließlich
einmal auf das Leben stoßen, das ihm äußerlich und innerlich am
nächsten ist, auf das Leben der Heimat. Dabei darf dies nicht vergessen
werden: Heute ist die Heimatschriftstellerei die große Mode, auch
Wanderberichte und Reiseeindrücke sehr bescheidener Art werden von
ihrer Welle ins Publikum getragen; O. E. Schmidt hatte seinerzeit mit
Staunen und Befremden zu kämpfen, er mußte die Leser erst erziehen für
die gute Kost, die er ihnen brachte.
Es kann nicht unsere Aufgabe sein, das reiche Schrifttum dieser zweiten
Schaffensperiode ebensowenig wie das der ersten in seinem ganzen
Umfange zu würdigen. Für beides fehlt uns Sachkenntnis und Raum. Wir
können nur versuchen, ein paar Züge hervorzuheben, die ihm gemeinsam
und eigentümlich zu sein scheinen.
Hinter der Darstellung steht bei O. E. Schmidt immer ein gründliches
Studium und eine sorgfältige Bewertung der Quellen. In der
philologischen Arbeit an dem antiken Stoff hat er sich diese strenge
Arbeitsweise angeeignet. Aber er bleibt nie im Kleinen und Einzelnen
stecken. Er hat die Gabe entfaltet, in die vergangene Zeit sich so
einzuleben, daß er sie auch anderen lebendig machen kann. Man lese
etwa das Werk »Minister Graf Brühl und Karl Heinrich von Heinecken«,
das als Band XXV unter den Schriften der Sächsischen Kommission für
Geschichte 1921 herausgekommen ist. Da lernen wir sie alle kennen,
die Helfershelfer des Verbrechers auf dem Ministersessel, vom
Kammerherrn bis zum Kammerdiener, und seine Gegner, vom König bis
zum Oberhofprediger. Gelegentlich muß der Herausgeber zu einem der
Namen, die in den abgedruckten Briefen vorkommen, Anmerkungen machen
wie diese: »Die Person des Professors Richter konnte ich nicht näher
bestimmen.« Dann sehen wir zwischen diesen Worten ordentlich ein
Schweißtröpfchen glänzen, das von der angewandten Mühe erzählt, und
hören einen leisen Seufzer darüber, daß sie vergeblich gewesen ist.
Bei all dieser Genauigkeit im einzelnen gibt doch das ganze Buch ein
Bild von dem todkranken Rokoko, wie es nicht anschaulicher gedacht
werden kann. Auch auf die kursächsischen Streifzüge hat ihr Verfasser
nicht ein beliebiges Reisehandbuch zu gelegentlichem Nachschlagen
mitgenommen, sondern das ganze Rüstzeug der Urkundenkenntnis für die
Geschichte, die der durchwanderten Landschaft ihre Spuren aufgeprägt
hat. Wir erinnern uns an die Jahre, wo wir in Dresden freundnachbarlich
mit O. E. Schmidt verkehrten, der bereits nach Meißen übergesiedelt
war. An einem bestimmten Wochentage konnte man ihn stets in der
Hauptstadt treffen, denn da kam er trotz aller Belastung mit den
Schulpflichten herüber, um im Staatsarchiv zu arbeiten. Den Leser,
dem nun die aus solchen Mühen entstandenen Schriften so leicht und
angenehm eingehen, möchte man doch auch daran erinnern, daß O. E.
Schmidt nicht eigentlich eine sogenannte flüssige Feder hat, daß er
vielmehr auch an die Formgebung seiner Gedanken viel feilende Sorgfalt
wenden muß. Das Ziel seiner forschenden Teilnahme sind Männer, deren
Charakterbild in der Geschichte schwankt. Ihnen zu einer gerechteren
Beurteilung bei der Nachwelt zu verhelfen, gewisse eingewurzelte
Vorurteile der Geschichtsbetrachtung zu zerstreuen, ist ihm ein
wichtiges Anliegen. Wir denken etwa an die Rettungen, die für Lessings
Berliner Schriftstellerei kennzeichnend sind. Als O. E. Schmidt über
Cicero zu schreiben begann, herrschte das Urteil Mommsens über den
Arpinaten. Er durfte seinen Helden aus diesem Schatten heraus in
ein günstigeres Licht rücken. In dem Buche »Fouqué, Apel, Miltitz,
Beiträge zur Geschichte der deutschen Romantik«, wird einmal Fouqués
Dichterruhm gegen mancherlei Verkennung sichergestellt und dann wird
an dem Scharfenberger Kreis gezeigt, daß auch in dem weichen Klima der
Romantik Männer ihren Wirklichkeitssinn und ihre Tatkraft sich bewahren
konnten. Auch eine geschichtliche Gestalt, wie der Minister Brühl, ist
nicht einfach mit einem Freispruch oder einer Verurteilung abgetan.
O. E. Schmidt läßt seine falsche Politik und den Mißbrauch, den er
mit seiner Amtsgewalt und mit dem Vertrauen seines Fürsten getrieben
hat, scharf hervortreten, aber läßt uns doch auch in der ästhetischen
Kraft seiner Prachtliebe und in seiner wirtschaftlichen Erfindungsgabe
eine gewisse Genialität ahnen. Auf der anderen Seite sehen wir den
großen Gegner Brühls, Friedrich II., im berechtigten Kampfe gegen das
unbequeme Sachsen doch auch so kleine Mittel nicht verschmähen, wie
es der Eingriff in den Privatbesitz des Ministers eines ist. In einer
anderen Veröffentlichung der Sächsischen Kommission für Geschichte, sie
heißt: »Aus der Zeit der Freiheitskriege und des Wiener Kongresses.
Siebenundachtzig ungedruckte Briefe und Urkunden aus sächsischen
Adelsarchiven«, verteidigt O. E. Schmidt Sachsen gegen den Vorwurf, daß
es 1813 auf der falschen Seite gestanden habe. Er macht uns eine Reihe
führender Männer bekannt, die mit Kraft und Wirkung den vaterländischen
Gedanken des Befreiungskampfes in Sachsen vertreten haben. Daß sie
damit nicht zur rechten Zeit durchdrangen, daß sie dann die drohende
Zerstückelung Sachsens nicht verhindern konnten, war nicht ihre
Schuld. Was er anderen anschaulich machen will, das sieht er sich nach
Möglichkeit mit eigenen Augen an. Er weiß, daß die Vergangenheit nicht
nur auf Urkunden von Pergament und von Papier sich niedergeschlagen
hat, daß vielmehr fernes Leben in Mauerwerk und Stein, in alten Sitten
und Bräuchen, in Werken der Kunst und in der Sprache aufzuspüren ist.
Vor allem hat es sich ihm als fruchtbar erwiesen, einen Menschen zu
verstehen, zu erklären aus dem Gehäuse, das er seinem Dasein gab. Darum
ging er nach Italien und suchte die Stätten auf, wo Ciceros Villen
standen; so wurde ihm der Briefschreiber lebendig, der im Tablinum
dieser Villen gesonnen und geschrieben hatte. Wir freuen uns mit dem
rüstigen Siebziger, daß nun die Schranken böser Zeiten gefallen und der
Weg zu neuen Südlandsfahrten offen steht. Die Wurzeln dieser schönen
Rüstigkeit, der ungetrübten Wanderfreude auch im Alter, liegen doch
darin, daß er den Wandertrieb, der schon im Knaben fröhlich aufwachte,
so folgerichtig durch ein ganzes Leben gepflegt hat. Was hier ein
Handwerksbrauch, dort ein Mittel der Entspannung, was gesellschaftliche
Veranstaltung, was Mode, Parteisymbol sogar geworden ist, das Wandern,
er hat es zur Kunst entfaltet. Er ist ein Mann, der suchen kann, der
aber auch zu finden versteht; ein Mann, der sehen kann, aber auch
anderen die Augen zu öffnen vermag. Gewiß reden die Steine; es ist
aber doch reizvoller und förderlicher, wenn O. E. Schmidt neben das
alte, schöne Tor, neben den zerfallenen Turm tritt und ihre Sprache
deutet. Wir hätten den einzigartigen Blick auf Dom und Albrechtsburg
nie genossen, wenn er uns nicht zu dem Bodenfenster seiner Meißner
Amtswohnung hinaufgeführt hätte, von dem aus sich der Blick erschloß.
Was haben seine Wandergefährten für Erquickung und Gewinn gehabt, was
auch der gelegentliche Besucher, den er nach ernstem Gespräche durch
eine der Mittelstädte seines amtlichen Wirkens führte – sie hat im
Bädeker keinen Stern – ihm durch Anschauung alter Baudenkmäler neue
Erkenntnisse aufschloß und das Gleichgewicht seines Gemüts zurückgab.
Immer hat der kursächsische Wandersmann auch den Leuten aufs Maul
gesehen. Aus ihrer Sprache hat er das Wesen der deutschen Stämme, denen
seine besondere Aufmerksamkeit galt, und ihre Geschichte aufgeleuchtet.
Seine Ausführungen über die sächsischen Dialekte sind ein wirksames
Mittel gegen die Vergiftung, die gewisse Dialektdichtungen im
Bliemchenstil bei den anderen deutschen Stämmen hervorgerufen haben;
eine Vergiftung des Gemüts, die mit einem mitleidig-verächtlichen
Lächeln auf alles Sächsische glaubt reagieren zu dürfen.
Die Stärke O. E. Schmidts liegt nicht in der beweisenden
Gedankenführung, in der Zusammenfassung philosophischer Höhenschau.
Ihm kommt es immer auf das Anschauen des Lebens und seine getreue
Wiedergabe im schriftstellerischen Bild an. Wir begreifen, wie stark
das deutsche Schicksal der Jahre 1914/18 auf ihn wirken mußte. Dazu kam
der Auftrag des sächsischen Königs, die Taten der Sachsen im Weltkriege
zu schildern. Dieses Unternehmen vorzubereiten, ist er dreimal zu
längerem Aufenthalt an die Front geschickt worden. Ein weitschichtiger
Briefwechsel mit Kriegsteilnehmern und persönlicher Gedankenaustausch
mit den militärischen Führern hat sich angeschlossen. Als ersten Ertrag
bekamen wir 1915 das Büchlein »Eine Fahrt zu den Sachsen an die Front«.
Dem mit unendlicher Mühe fertiggestellten Hauptwerke versperrte die
Zensur den Weg in die Öffentlichkeit. Wir getrösten uns der kommenden
Zeit, wo einmal die Staatsleitung und die Staatsbürger in gleicher
Weise dieses Denkmal kriegerischer Leistung werden unbefangen werten
können.
Am Anfang des vierten Bandes der Kursächsischen Streifzüge stellt
O. E. Schmidt in einer Vision Jean Paul sich gegenüber und bezeugt
dankbar den Einfluß, den er von ihm erfahren hat. Es besteht zwischen
beiden nicht nur der äußere Anklang, daß weit über den engeren Kreis
der Freunde hinaus auch der Doppelname Otto Eduard den allzuhäufigen
Familiennamen entbehrlich gemacht hat. Vielmehr ist der Schilderer
der kursächsischen Heimat seinem großen Vorbild auch in diesem Zuge
ähnlich: er sieht die Welt mit den Augen eines Sonntagskindes an;
darum erkennt er das Wundersame auch im kleinen und kleinsten. Er
bringt es fertig, den bescheidenen Alltag sinnig zu beseelen und zu
durchgeistigen. Einer der Freunde hat fein gesagt: »In jeder Pfütze
sieht O. E. Schmidt das Stück Himmel, das sich darin spiegelt«. Mit
einem freudigen Optimismus, der in der Güte und Reinheit seiner
Gesinnung und letztlich in der frommen Haltung seines innersten
Menschen ruht, bejaht er das Leben und freut sich der aufbauenden
Kräfte, die in ihm wirken. Er ist davon durchdrungen, daß er eine
Landschaft, ein Kunstwerk, einen Menschen nur dann verstehend erfassen
kann, wenn er mit williger Liebe ihnen entgegenkommt.
Diese entgegenkommende Liebe und dieser Glaube an den Sieg des Guten
haben in ihm die echte Gabe entfaltet, Freunden ein Freund zu sein;
haben ihn befähigt, den Umfang persönlicher Beziehungen fast auf alle
gesellschaftlichen Schichten seiner Heimat auszudehnen, in der bewußten
Absicht, bei allen das Wertvolle zu finden und im Austausch mit ihnen
seine Kenntnisse zu erweitern. Ob er mit der Wirtin im Dorfgasthaus
plaudert, ob er sich von der Schwester eines toten Künstlers Werkstatt
und Hinterlassenschaft zeigen läßt, ob er mit Pfarrer und Schullehrer
in alten Kirchen und Ruinen umherkriecht, oder ob er in der Tafelrunde
der Schloßherren sitzt, die ihn so gern als Sachverständigen in ihre
Archive und als immer anregenden Erzähler in ihren geselligen Kreis
rufen, immer bleibt er der Gleiche, fühlt sich am rechten Platz, ohne
die Selbständigkeit seines Denkens und Fühlens irgend preiszugeben.
Zum Schluß kehren wir bei dem Siebziger ein, der mit seiner von ihm
hoch gehaltenen Frau, mit Kindern und Enkeln den Familientag begeht;
auf der Scholle, nach der er sich frühzeitig gesehnt, die er in heißem
Mühen langsam sich erarbeitet, die er wieder, wie ein Häusler hackend
und mähend, sich erhalten hat durch Zeiten der Not. Wir hoffen, daß
auch wir, wenn das Fest schlafen gegangen ist, wieder einmal einkehren
dürfen in Hirschsprung, nahe bei der Ladenmühle, daß er uns dann durch
die schlichten aber heimeligen Räume des Bauernhäuschens führt und uns
Hausrat zeigt, den er inzwischen vorm Untergang errettet und angekauft
hat. Und wenn er uns dann die Geschichte dieses Stuhls und jenes Kruges
erzählt, dann schauen wir verstohlen nach seinem Schreibtisch, ob sich
da nicht wieder eine Handschrift zur Veröffentlichung rundet, und
freuen uns auf das, was er uns wieder schenken will.
Rudolf Richter, Leipzig.
Fußnote:
[1] Dieser Aufsatz erschien in verkürzter Gestalt bereits zum
siebzigsten Geburtstag des hervorragenden Gelehrten am 21.
August 1925 in den Dresdner Nachrichten.
Das neue sächsische Jagdgesetz und die heimatliche Tierwelt
Von _Martin Braeß_
Ein Vergleich des am 1. September 1925 in Kraft getretenen sächsischen
Jagdgesetzes vom 1. Juli dieses Jahres mit den bisher geltenden
gesetzlichen Bestimmungen läßt erkennen, daß den _Forderungen des
Naturschutzes in weitgehendem Maße Genüge getan worden ist_.
Zunächst fällt auf, daß § 2 eine vollständige, erschöpfende Aufzählung
der jagdbaren Tiere enthält, während das bisher geltende Gesetz nur
ganz allgemein »alle diejenigen herrenlosen und in ungezähmtem Zustande
lebenden Säugetiere und Vögel, die bisher in hiesigen Landen als zur
Jagd gehörig angesehen worden sind«, zum Gegenstand des Jagdrechts
erklärte. (Gesetz, die Ausübung der Jagd betreffend vom 1. Dezember
1864, § 1, Absatz 2.) Zwar folgte auch hier eine Aufzählung der
jagdbaren _Säugetiere_, die – obgleich sie lückenlos ist – doch nicht
ausschließlich sein sollte, wie der Zusatz »namentlich« beweist;
hinsichtlich der jagdbaren _Vögel_ aber fehlte jede Einschränkung.
Eine solche brachte erst das Gesetz, die Schonzeit der jagdbaren Tiere
betreffend, vom 22. Juli 1876; dessen § 1 lautete: »Gegenstand des
Jagdrechts sind fernerhin nicht mehr: die Lerchen, Drosseln und alle
kleineren Feld-, Wald- und Singvögel, zu welchen jedoch Rebhühner,
Wachteln, Bekassinen, Schnepfen und wilde Tauben, sowie die kleineren
Raubvögel und alle Würgerarten nicht zu rechnen sind.« Es leuchtet ohne
weiteres ein, daß der Begriff »kleinere Feld-, Wald- und Singvögel«
viel zu allgemein ist, um Unklarheiten auszuschließen.
Nur eine _erschöpfende Aufzählung aller jagdbaren Tiere_ konnte
derartige Unklarheiten beseitigen. Daß dies geschehen, ist hinsichtlich
der Vögel ein beachtenswerter Vorzug des neuen Gesetzes. § 2 zählt
unter a folgende _Säugetiere_ als »jagdbare Tiere (Wild)« auf:
»Rot-, Dam-, Muffel-, Reh- und Schwarzwild, Hasen, wilde Kaninchen,
Biber, Dachse, Füchse, Fischottern, Marder, Iltisse, Wiesel
(Hermeline), Wildkatzen, Eichhörnchen.«
Neu ist lediglich, daß das _Muffelwild_ (Mufflon), das einzige
Wildschaf Europas, das die hohen Gebirge der spanischen Provinz Murcia,
Korsikas und des östlichen Siziliens bewohnt, unter die jagdbaren Tiere
aufgenommen worden ist, nachdem man es in neuerer Zeit in Sachsen
eingeführt hat, wo es vielleicht einmal, wie in den gebirgigen Teilen
Thüringens und Schlesiens, eine gewisse Bedeutung erlangen mag. Sonst
sind gegenüber dem alten Jagdgesetz nur in der _Bezeichnung_ ein paar
Änderungen getroffen worden: statt »Edelwild« ist der gebräuchlichere
Ausdruck »Rotwild«, statt »Wiesel _und_ Hermeline«, was unter Umständen
dasselbe bedeutet, »Wiesel (Hermeline)« und, um jedem Mißverständnis
vorzubeugen, statt »wilde Katzen« die Bezeichnung »Wildkatzen«
eingesetzt worden. Daß dieses Raubtier, ebenso der Biber, mit
aufgezählt ist, dürfte für Sachsen wohl ziemlich gegenstandslos sein
und bleiben.
Vielleicht befremdet es, daß in der Liste der jagdbaren Tiere
nicht auch die _Bisamratte_ angeführt ist, jener unwillkommene
fremde Gast unserer Gewässer, der für Wasserdämme und Straßenbauten
eine Gefahr bildet. Zur Bekämpfung dieses Schädlings ist aber ein
besonderes Gesetz vom 30. Juli 1923 erlassen worden, das den Jagd-,
ebenso den Fischereiberechtigten, den Eigentümern, Nutznießern,
Mietern und Pächtern von Grundstücken und stehenden Gewässern die
Verpflichtung auferlegt, das beobachtete Auftreten von Bisamratten der
Amtshauptmannschaft, beziehungsweise dem Stadtrat anzuzeigen und die
zur Abwehr nötigen Maßnahmen zu ergreifen.
Was die _Fischottern_, ebenso die _Fischreiher_ betrifft, so bleibt
wie bisher das ausschließliche Jagdrecht insofern eingeschränkt,
als es nach § 12 des Fischereigesetzes vom 15. Oktober 1868 den
Fischereiberechtigten gestattet ist, diese Tiere »zu fangen oder
(ohne Benutzung von Schießgewehr) zu töten«. Allerdings müssen die
so gefangenen oder getöteten Fischottern und Fischreiher »binnen
vierundzwanzig Stunden an den Jagdberechtigten ausgeliefert« werden.
Es ist zu wünschen, daß bei einer Neubearbeitung des Fischereigesetzes
dieser § 12 wegen der Seltenheit der genannten Tiere wegfällt.
Die erfreulichsten Fortschritte im Sinne des Naturschutzes weist § 37
des neuen Gesetzes auf. Er handelt von den _zeitlichen Beschränkungen
der Jagdausübung_, führt also die _Schonzeiten_ der jagdbaren Tiere
an. Unter den _Säugetieren_ sind es lediglich das Schwarzwild, die
wilden Kaninchen, Füchse, Fischottern, Iltisse, Wiesel (Hermeline) und
Eichhörnchen, die einer Schonzeit entbehren, während selbst einigen
Raubtieren, nämlich den Mardern, eine Schonzeit vom 1. März bis 31.
Oktober und den Dachsen und Wildkatzen eine solche vom 1. Februar
bis 31. August zugebilligt wird. Bisher erfreute sich unter allen
Raubtieren, bepelzten wie befiederten, nur der Dachs einer Schonzeit
(1. Februar bis 31. August). Aus Rücksicht auf ihre Seltenheit ist
nun auch den Mardern (Edel- und Steinmardern) und den Wildkatzen eine
solche zuerkannt worden.
Besonders erfreulich ist es, daß die Schonzeiten des _Rot-_ und
_Rehwildes_ und der _Hasen_ eine beträchtliche Ausdehnung erfahren
haben. Die Gefahr, die dem Wildstande infolge des kalten Winters
1923/24 drohte, war so groß, daß die neuen Schonzeiten für das genannte
Wild, wie sie das in Beratung stehende Gesetz vorgesehen hatte, schon
vorher durch ein besonderes Gesetz vom 12. Dezember 1924 festgelegt
wurden. Es sind die folgenden: für männliches Rotwild vom 1. Februar
bis zum 31. Juli, für weibliches Rotwild vom 1. Februar bis zum 31.
August, für männliches und weibliches Damwild vom 1. März bis zum 31.
August, für Rehböcke vom 1. Dezember bis zum 30. Juni des folgenden
Jahres, für weibliches Rehwild vom 1. Dezember bis zum 15. Oktober des
folgenden Jahres, für Hasen vom 15. Januar bis zum 30. September.
Ein Vergleich mit dem Schonzeitgesetz vom 22. Juli 1876 zeigt, daß die
Schonzeiten für männliches Rotwild um zwei Monate (Februar und Juli),
für weibliches Rotwild um einen Monat (Februar), für männliches Damwild
um zwei Monate (Juli und August), für Rehböcke gleichfalls um zwei
Monate (Dezember und Januar), für weibliches Rehwild um einen halben
Monat (erste Hälfte Dezember) verlängert worden sind.
Für die Sicherung eines gesunden Bestandes an Rot-, Dam- und Rehwild
erscheint es ferner wichtig, daß die Schonzeiten für _Kälber_ in dem
Jahre, in dem sie gesetzt sind, die gleichen sind, wie für weibliche
Stücke derselben Wildart.
Was das _Muffelwild_ betrifft, so ist erstmalig seine Schonzeit
gesetzlich festgelegt worden, und zwar für männliches Muffelwild vom 1.
Februar bis zum 31. August, für weibliches vom 1. Dezember bis zum 30.
September des folgenden Jahres.
Auch die Schonzeit der _Hasen_ ist um einen halben Monat (zweite Hälfte
Januar) verlängert worden.
Ungleich zahlreicher sind die Änderungen, die sich auf die _jagdbaren
Vögel_ beziehen. Hier galt es nicht nur Klarheit zu schaffen, die
bisher fehlte, sondern auch der Vogelwelt einen weit größeren Schutz zu
gewähren, dessen sie in einem so dicht bevölkerten Industrielande, wie
es gerade unser Sachsen ist, dringend bedarf. Gewiß wird der Natur- und
Vogelfreund immer noch einige Wünsche hegen, die auch das neue Gesetz
nicht vollständig erfüllt, z. B. in betreff einzelner Tagraubvögel;
aber im allgemeinen lehrt der Vergleich mit den bisher geltenden
gesetzlichen Bestimmungen den _großen Fortschritt auf dem Gebiete des
Vogelschutzes_, den das Gesetz klar zum Ausdruck bringt.
§ 2 zählt unter ~b~ folgendes _Federwild_ auf: »Auer-, Birk- und
Haselwild, Rebhühner, Fasanen, wilde Tauben, Ziemer, Bekassinen,
Wildschnepfen, Trappen, Brachvögel, wilde Schwäne, Wildgänse,
Wildenten, Rallen (Wasser-, Teich- und Sumpfhühner), Säger, Taucher,
Möwen, Kiebitze, Fischreiher, Kormorane, Würger und rabenartige Vögel
(Raben-, Nebel-, Saatkrähen, Elstern, Dohlen, Eichelhäher), Wachteln,
Wachtelkönige, Uhus und alle Tagraubvögel.«
In dieser Liste begegnen wir einer ganzen Anzahl von Vogelarten, auf
die das Reichsvogelschutzgesetz vom 30. Mai 1908 keine Anwendung
findet; es sind dies: die wilden Tauben, die Wasserhühner, Säger,
Taucher, Fischreiher, Kormorane, Würger, die rabenartigen Vögel, der
Uhu und die meisten Tagraubvögel. Sie alle würden, falls man sie aus
dieser Liste gestrichen hätte, nach dem Reichsgesetz »vogelfrei« sein,
d. h. es dürfte sie _jedermann_ fangen (allerdings nicht mit Schlingen)
und töten, auch ihrer Eier und Jungen berauben. Weil sie aber jagdbar
sind, steht solche Befugnis _nur_ dem Jagdberechtigten zu. Auch hat die
neue Fassung von § 1 des Schonzeitgesetzes: »Das Fangen und Erlegen
nicht jagdbarer Vögel ... ist gänzlich verboten« dafür gesorgt, daß in
vollem Umfang keine einzige Art mehr »vogelfrei« ist.
§ 37 setzt für das Federwild folgende _Schonzeiten_ fest: für Auer-,
Birk- und Haselhähne vom 1. Juni bis zum 31. März des folgenden Jahres,
für Rebhühner vom 1. Dezember bis 31. August des folgenden Jahres, für
Fasanenhennen vom 1. Januar bis zum 30. September, für Fasanenhähne
vom 1. Februar bis zum 30. September, für Bekassinen und Wildenten vom
1. Februar bis zum 15. Juli, für Waldschnepfen vom 1. Dezember bis
zum 31. August des folgenden Jahres, für Brachvögel, Rallen, Taucher,
Möwen, Fischreiher und Tagesraubvögel (mit Ausnahme der Turm- und
Wanderfalken, sowie der Habichte und Sperber) vom 1. Februar bis zum
31. August. Auer-, Birk- und Haselhennen, Trappen, Kiebitze, Wachteln,
Wachtelkönige, Ziemer, Uhus, Turm- und Wanderfalken dürfen bis auf
weiteres nicht gejagt werden.
Vergleicht man diese Schonzeiten mit den bisher geltenden, so ergibt
sich, daß Auer-, Birk- und Haselhähnen eine um fünfeinhalb Monat
längere Schonzeit gewährt wird (früher nur Februar und vom 16. Mai
bis 31. August), während sich die betreffenden Hennen das ganze Jahr
ununterbrochener Schonung erfreuen dürfen (bisher nur vom 1. Februar
bis 31. August). Die Schonzeiten der Rebhühner und Fasanenhähne ist
die gleiche geblieben, die der Fasanenhennen um einen Monat (Januar)
verlängert worden. Die Wildenten haben einen Zuwachs ihrer Schonzeit
um zwei Monate erfahren (Februar, erste Hälfte März und erste Hälfte
Juli), die Waldschnepfen um viereinhalb Monat (Dezember, Januar,
März, April, erste Hälfte Mai); den Tagesraubvögeln, die bisher keine
Schonzeit besaßen, wird mit Ausnahme von Habicht und Sperber eine
solche von sieben Monaten (Februar bis August) gewährt. Turm- und
Wanderfalke aber sind wie Trappen, Kiebitze, Wachteln, Wachtelkönige,
Ziemer, Uhus und die oben genannten Hennen der Waldhühner das ganze
Jahr zu schonen.
Nur einige Bemerkungen hierzu. Daß die Jagd auf die _Waldschnepfen_
während des Frühjahrsstrichs (1. März bis 15. Mai) wegfällt, ist
außerordentlich zu begrüßen. Es liegt ja auf der Hand, daß der
Abschuß dieses Wildgeflügels zu der Zeit, wo es an seine Niststellen
zurückkehrt, um das Brutgeschäft zu beginnen, dem Bestand starken
Abbruch tun mußte. Für die _Wildenten_ wird es von Vorteil sein, daß
ihnen die Schonzeit um die erste Hälfte des Juli verlängert worden
ist, obgleich auch dann noch die meisten mit der Führung der Jungen
beschäftigt sind. Der Wunsch, ein oder die andere Entenart, z. B.
die Schellente, völlig geschont zu sehen, ist begreiflich; aber hier
Ausnahmen zu machen, dürfte unpraktisch und ziemlich zwecklos sein.
Der _Fischreiher_ besaß, weil er gegenwärtig im Inlande nicht mehr
horstet, keine Schonzeit (Gesetz, die Schonzeit betreffend vom 22.
Juli 1876, § 4, Absatz 4); es ist zu hoffen, daß er sich unter dem
ihm gewährten Schutz – Schonzeit vom 1. Februar bis 31. August –
an ein oder der anderen Stelle unseres Landes wieder als Brutvogel
einfindet; allerdings müßte er den Nachstellungen seitens der
Fischereiberechtigten möglichst bald entzogen werden.
Sehr erfreulich ist es, daß endlich alle _Eulen_ aus der Liste
der jagdbaren Tiere gestrichen sind; sie werden nun des Schutzes
teilhaftig, den das Reichsvogelschutzgesetz ihnen gewährleistet. Daß
man den Uhu mit Recht noch unter die jagdbaren Vögel zählt, ist schon
oben dargelegt worden; als Naturdenkmal darf er aber zu keiner Zeit
gejagt werden, genau wie der seltene _Wanderfalke_. Es wäre ein Wunsch
aller Naturfreunde erfüllt worden, wenn das Gesetz diesen unbedingten
Schutz auch allen _Adlerarten_ und Bussarden hätte zuteil werden
lassen; sie müssen sich mit der Schonzeit vom 1. Februar bis 31. August
begnügen. Der Nutzen der _Turmfalken_ wird anerkannt, indem man ihnen
das ganze Jahr über eine ununterbrochene Schonzeit gewährt. Daß im
Gegensatz hierzu der _Sperber_, diese Geißel der Kleinvogelwelt, von
jeder Schonzeit ausgeschlossen ist, wird allgemein gebilligt werden,
während die gleiche Behandlung des _Hühnerhabichts_, der ebenfalls ein
schlimmer Räuber ist, namentlich auch dem Hühner- und Fasanenbestand
großen Schaden zufügt, wohl bei allen Jägern, seiner verhältnismäßigen
Seltenheit wegen aber nicht bei allen Naturfreunden Zustimmung finden
wird.
Um so größer ist die Genugtuung darüber, daß die _Trappen_ das ganze
Jahr über geschont werden sollen; es ist nun zu hoffen, daß diese
seltenen Vögel unserem Niederland erhalten werden. Gleichen ungeteilten
Beifall muß auch der unbedingte Schutz der _Kiebitze_ finden, deren
Zahl von Jahr zu Jahr geringer geworden ist, und der der _Wachteln_,
die sich in letzter Zeit hier und da wieder vereinzelt eingestellt
haben, nachdem sie bereits seit Jahrzehnten für viele Gegenden als
Brutvögel völlig verschwunden waren. Das Einsammeln von _Kiebitz-_
und _Möweneiern_ war bisher zu jeder Zeit gestattet (Schonzeitgesetz
§ 4, Absatz 4); nunmehr darf dies nur vom 1. Januar bis zum 30. April
geschehen, natürlich nur vom Jagdberechtigten. Dadurch erfahren die
Nachgelege der genannten Vögel einen gewissen Schutz.
Der größte Gewinn aber scheint zu sein, daß nun auch die Jagd auf den
_Ziemer_ völlig ruhen wird. Manchem Jagdberechtigten mag es nicht
ganz leicht werden, auf den Abschuß dieses kleinsten Wildbrets zu
verzichten; aber wenn man bedenkt, daß es bei der Ziemerjagd gar
nicht zu vermeiden ist, auch andere Drosseln mit abzuschießen, daß
wir kein Recht haben, den Südfranzosen und Italienern wegen der
Nachstellungen unserer Kleinvögel Vorwürfe zu machen, wenn wir selbst
unsere nordischen Gäste ebenso empfangen, und daß es überhaupt unwürdig
ist, solch kleines Wildbret in den Mund zu stecken, so wird man sich
schließlich mit der neuen Bestimmung aussöhnen und dem Naturschutz gern
dieses Opfer bringen.
Bisher begann die Ziemerjagd in Sachsen mit dem 16. November
(Verordnung, die Jagdbarkeit der Ziemer [Zeumer] betreffend, vom 27.
Juli 1878); aber in Preußen z. B. geht die Drosseljagd – sämtliche
Drosselarten gehören nach der preußischen Jagdordnung vom 15. Juli
1907 § 39 Nr. 19 zu den jagdbaren Vögeln – schon am 21. September auf
und währt bis zum Jahresschluß. So kam es, daß Jahr für Jahr in vielen
unserer Feinkost- und Wildbrethandlungen »Krammetsvögel« feilgeboten
und verkauft wurden, unter denen sich genug Amseln, Sing-, Wein- und
Misteldrosseln befanden, weil man die Vögel zumeist aus dem Auslande
bezog. Es war ein kläglicher Anblick, die zum Teil doch so herrlichen
Sänger in langen Girlanden vor den Schaufenstern aufgereiht zu sehen.
Das hat nun ein Ende. Denn die Ausführungsverordnung zu § 40 und 41
des neuen Gesetzes bestimmt: »Die Einfuhr und der Handel mit erlegten
Trappen, Kiebitzen, Wachteln, Wachtelkönigen und Ziemern bleibt auch
dann verboten, wenn die Stücke nachweisbar außerhalb Sachsens erlegt
worden sind.« _»Krammetsvögel« werden also vollständig als Verkaufsware
verschwinden_, und ebenso wird uns der traurige Anblick »echt
französischer Weinbergswachteln« (!) in den Auslagen erspart bleiben.
Dafür wollen wir dankbar sein.
Zugleich mit dem Jagdgesetz hatte die Regierung die Bearbeitung
eines Landesvogelschutzgesetzes in Aussicht genommen. Dies ist
aber unterblieben, namentlich aus dem Grunde, weil zunächst eine
Neubearbeitung des Reichsvogelschutzgesetzes erwartet wird. Die
sächsische Vogelschutzbestimmung steht mit im Schonzeitgesetz vom 22.
Juli 1876 (§ 1, Absatz 2) und mußte vom neuen Gesetz aufrechterhalten
werden. Sie lautet jetzt: »Das Fangen und Erlegen nicht jagdbarer Vögel
und jede auf den Fang derselben berechnete Veranstaltung, das Zerstören
ihrer Nester und das Ausnehmen der Eier und Jungen ist gänzlich
verboten, auch dürfen dieselben zu keiner Zeit auf Märkten oder sonst
in irgendeiner Weise feilgeboten und verkauft werden.«
Es ist zu erwarten, daß sich ein neues Landesvogelschutzgesetz dem
Reichsvogelschutzgesetz enger anschließen wird. Vorläufig wollen wir
uns freuen, daß Sachsen ein neues Jagdgesetz hat, das, wie wir wohl
überzeugend dargelegt haben, _in hohem Maße den Bestrebungen des
Heimat- und Naturschutzes entgegenkommt_.
Weihnachten im Landesmuseum
Eine Erinnerung und eine Zuversicht
Von _R. Bürckner_, Dresden.
Als ob im Landesmuseum an der Asterstraße in Dresden nicht immer
Weihnachten wäre! Wenn draußen das Maiglöckchen blüht, wenn die
Sommersonne brennt, wenn Äpfel und Weintrauben reifen: im Museum wird
immer beschert. Nicht bloß oben in der Erzgebirgischen Stube, wo der
Weihnachtstisch das ganze Jahr aufgebaut steht, wo die Pyramide eben
aufgehört hat, sich zu drehen, wo die Weisen aus dem Morgenlande zum
Stalle ziehen. Nein, wenn du beim Eingang vor die erste, die Dresdner
Stube trittst, wenn du unter den Bergspinnen, die vom Gewölbe blinken,
hingehst: Es ist wie Weihnachten. Friede auf Erden. Weihnachtsfreude.
Aber du mußt dich wirklich freuen können, freuen wie ein Kind. Warum
freut es sich? Bloß, weil alles so schön ist. O du Kindereinfalt mit
deiner ungelehrten Freude! Wer dich doch immer hätte!
Hast du sie nicht, dann komme zu Weihnachten ins Landesmuseum. Komm und
sieh, bleibe und höre und freue dich!
Wochenlang vorher wird beraten, wie diesmal Weihnachten gefeiert, wie
diese Stube, jener Raum weihnachtlich geschmückt werden soll. Briefe
gehen hin und bitten um Mitarbeit, kommen her und bringen Zusagen
viel, Absagen wenig. Alte Helfer bleiben treu. Neue schließen sich an.
Hast du schon mitgetan? Warte nicht erst auf eine Einladung! Die von
selber helfen, sind uns am liebsten.
Endlich ist alles fertig. Dieser Zulauf! Über viertausend Menschen
sind letzte Weihnachten im Museum gewesen. Gerade, als ob z. B. ganz
Dippoldiswalde mit allen Männern, Frauen und Kindern sich aufgemacht
hätte. Gab das ein Gedränge! »Was fällt dir ein?« fragte der Vater
unwirsch seinen kleinen Jungen, der zwischen den Leuten stak und hin-
und herschob. Die Mutter beschwichtigte: »Er will den Hofrat sehen!« Da
nahm ihn der Vater hoch – nun sah er den Hofrat, nun guckte und horchte
er.
Ein Zweifaches zieht die Leute zu Weihnachten ins Museum: der
Weihnachtsschmuck, die Weihnachtsfeier.
Der Schmuck beginnt mit einer Ranke draußen an der Tür. Schon im
Vorraum stehen Bäume. Im Hintergrunde droht ein Riesen-Ruprecht. Aber
er tut es ganz gutmütig.
Jetzt die Innenräume. Christbäume, Christbäume! Jeder anders angeputzt.
Welcher ist der schönste? Der mit mattem Silberschmuck? Der mit bunten
Sternen? Nein, dort der Pfefferkuchenbaum! Die Pfefferkuchen sind alle
selbst entworfen, selbst aus Teig geformt. Der Herr Bäckermeister hat
sie bloß gebacken, weil das im Ofen zu Hause nicht gut ging. Hier in
der guten Bürgerstube: Wie das glitzert! Lauter Goldpapierketten und
-büschel und -sterne. Sieh mal, dort auf dem kleinen Schreibpult, an
dem früher der Naundorfer Gutsbesitzer seine Roggenrechnung machte:
Zwei Wunderbäumchen! Vier goldene Nüsse als Füßchen, eine vergoldete
Kartoffel als Mittelstück und fünf Gänsekiele darin als Träger von
Rosinen und Mandeln. Ist das niedlich! Nicht bloß niedlich. Ganz echte
rechte Volkskunst ist es, voller Liebe, voller Freude! Wer bringt uns
mehr solche Sachen?
Unter dem großen grünen Baum ein ganzer Kranz erleuchteter Advents-
und Weihnachtsbilder. Aber die müssen schwer auszuschneiden sein!
Ja, dafür sind sie auch von Kunstgewerbe-Akademikern; gerade wie die
Pfefferkuchen, die wir vorhin gesehen haben.
Bäume mit kräftigem, mit zartem Buntpapierschmuck, mit leuchtenden
Glaskugeln, mit Sternen aller Art, mit bunten Bändern.
Weihnachtsleuchter, durchscheinende Fensterbilder. Eine frei schwebende
grün verdeckte Leiste als Laufbahn für ein Gewimmel ausgeschnittener
bunter Figuren; alle rennen zum Christbaum, der sich in der Mitte
erhebt. Oben in der Dresdner Bürgerstube mit dem herrlichen Blick
auf die Frauenkirche ein in seinem altmodischen Papierschmuck fein
abgestimmter Christbaum.
Kein Raum ist vergessen. Bei den kleinen Grabkreuzen steht ein grüner
Baum im Schmucke seiner natürlichen Zapfen ernst und still in der Ecke.
Dort und da die Treppe sollst du nicht hinaufgehen. Ein grüner Wächter
sperrt den Weg.
Weihnachten überall!
»Gestatten, Herr ...! Mein Name ist Einert. Ich sehe hier so viele
Christbäume, aber ich muß sagen, mir gefallen nur die im einheitlichen
Schmuck, entweder lauter weiße Sterne, weiße Lichter oder lauter rote
Körbchen, rote Ketten, rote Lichter, oder auch lauter Gold, lauter
Silber. Wie denken Sie darüber?« »Kann wunderschön aussehen,« will
ich antworten, da stellt sich Herr Frölich vor, der zugehört hat, und
sagt: »Mein Christbaum muß sein wie eine Volksfestwiese, bunt und
lustig, alles durcheinander: bunte Sterne, goldene Nüsse, Silberketten,
Pfefferkuchen. Zwar hier, gestatten, daß ich vorstelle: Fräulein
Fein, findet ausgerechnet die Pfefferkuchen geschmacklos, aber meine
Kinder ...« Er kann nicht ausreden, denn Fräulein Fein bestätigt
eilfertig seine Worte: »Außerdem hängen die Pfefferkuchenmänner
aller menschlichen Bestimmung zuwider meist verkehrtherum im grünen
Baum.« »Aber liebes Fräulein, der Pfefferkuchenmann hat nur die eine
Bestimmung, lustig zu sein. Das Kopfnachunten macht ihm unendlichen
Spaß und allen kleinen wie großen Kindern mit.«
Unsere Weihnachtsausstellung zeigt, daß es eine »Ästhetik des
Christbaumes« glücklicherweise nicht gibt. Das fröhliche Herz findet
den rechten Schmuck. Aber _die_ Leute hat der Hofrat öffentlich
bedauert, die sich um den Christbaum nur die eine Mühe machen, in den
Laden zu laufen und – fünfundzwanzig Marzipanschweine einzukaufen.
Es ist am Spätnachmittag. Harter Ostwind durchfegt die Straßen,
Glatteis macht das Gehen schwer. Aber das Museum steht voller Menschen.
Worauf warten sie? – Wird denn heute gesungen? – Was wäre Weihnachten
im Museum ohne Sang und Rede, ohne Feier! An jedem Tage mindestens
eine, an manchen zwei, an einigen sogar drei. So kam es, daß wir letzte
Weihnachten fünfundzwanzigmal Weihnachten gefeiert haben. Ja, hält
denn das ein Mensch aus? Glänzend. Er muß bloß eine unauslöschliche
Begeisterung und – treue Helfer haben. Die hatten wir wie beim
Schmücken der Christbäume, so auch bei unseren Feiern. Schulkinder,
Gesangvereine, höhere Schulen, Kirchenchöre, fröhliche Einzelsänger,
liebenswürdige Einzelsängerinnen, alle, alle kamen, erfreuten die
Besucher, erfreuten uns, erfreuten vor allem sich selber. Wie oft und
doch nie genug haben wir »Stille Nacht, heilige Nacht« gehört! Wenn
es so recht rein und fein durch die Bogenhallen klang, dann war’s,
als ob man das alte liebe Lied in wunderschönem Druck auf kostbarem
Papier vor sich sähe. Wir freuen uns dankbar jeder volkstümlichen
Mitwirkung, und Abwechslung muß sein. Aber kein Weihnachtssingen kommt
dem aus Kindermunde gleich. Wenn dann die Mädchen, die Knaben so mit
aller Andacht zu ihrem Führer aufschauen: Luca della Robbia, deine
Sängerbühnenkinder sind übertroffen. Geheimnisvoller Weihnachtszauber
steigt empor, wenn die Engel, Maria und Joseph, die Hirten, die
Weisen im langen Gange hergezogen kommen, Lichter in den Händen,
Weihnachtslieder singend, begleitet von den Klängen der Lauten und
Geigen. Sie kommen langsam heran zum großen Raume der Grabkreuze, sie
treten vor die herrliche Madonna. Recht wie eine liebe Mutter sieht
sie ihnen zu, wenn sie ihr Weihnachtsspiel beginnen, ohne Puder, ohne
Maskengarderobe, schlicht wie im häuslichen Kreise.
Nicht jedesmal wird gespielt. Dann erzählt der Hofrat von dem
Bergmann, der ihn gebeten hat, sich die Maria anzusehen, die er
für seine Weihnachtskrippe schnitzt, oder von dem kleinen Mädel im
Erzgebirge, das seine Puppe kranksagte, als sie noch heil und ganz
war, und gesund, obgleich sie inzwischen ein Loch in den Kopf bekommen
hatte. Kinderphantasie, deine Gedanken sind nicht unsere, du mußt den
nüchternen Erwachsenen belehren. Du hast auch dem kleinen Jungen jenen
Tag zum glücklichsten seines Lebens gemacht, an dem er Karnickel sein
und ins Erdloch kriechen durfte. Dagegen wir Großen: wie oft sind wir
Karnickel und wie selten sind wir glücklich, schließt nachdenklich die
Rede lachender Lebensweisheit. Noch vieles von Volksbrauch, von Volks-
und Kinderkunst bekommen die Leute erzählt, gern und lange hören sie
zu. Aber mit dem Zuhören ist’s nicht getan; sie müssen tätig mitfeiern.
Der Tannenbaum, der Vogelbeerbaum vereinigen alle, die da sind, zu
fröhlichem Schlußklang. Wir kommen wieder!
Ja, sie werden wiederkommen. Schon glimmen in der Ferne leise die
Weihnachtskerzen auf. Wer wird diesmal die Bäume schmücken? Wer
wird singen? Sollen wir Dresdner alles besorgen im Landesmuseum
für _Sächsische_ Volkskunst? Wer hat einen volkstümlichen
Christbaumgedanken? Das heißt, der Gedanke allein tut’s nicht, wir
warten auf die Ausführung. Oder kann jemand einen Weihnachtsberg
aufbauen? Keinen neun Meter langen, sondern einen, der auch in die enge
Stadtwohnung, der ins Museum paßt. Wir möchten wieder vielen, vielen
Menschen Freude, Weihnachtsfreude, neue Freude bringen. Und gestehen
wir’s nur: Wir selber haben dabei die größte.
Wir sind voller Zuversicht.
Allerhand Nach-, Er- und Bedenkliches
Ein Brief von _Erdmut Sammetwühler_
Sehr geehrter Herr Schriftleiter!
Ich bitte Sie, in den Spalten Ihrer Heimatschutzmitteilungen folgende
Anzeige einzurücken. Obwohl ich weiß, daß Ihr Blatt sich mit bezahlten
und unbezahlten Anzeigen dieser Art grundsätzlich nicht befaßt, hoffe
ich doch auf Erfüllung meiner Bitte.
Ein erfahrener, alter Praktikus gibt kostenlos an jedermann
Rat und Auskunft, wie Milchertrag, Kartoffelertrag usw. ohne
Kostenaufwand mühelos gesteigert werden können. Zuschriften
sind unter »Kostenlos« an den Landesverein Sächsischer
Heimatschutz oder an K. Lucas, Meißen, einzureichen.
Erdmut Sammetwühler.
Mein lieber Herr Schriftleiter!
Sie werden sich jetzt meiner Bekanntschaft aus den Jahren 1920 (Bd.
IX, Heft 1–3) und 1921 (Bd. X, Heft 7–9 der Mitteilungen) entsinnen.
Jawohl, ich lebe noch. Die böse Zeit hat mich nicht unterbekommen.
Wenn ich Ihnen so eine Anzeige bringe, dann denken Sie ja nicht, ich
hätte auf meine alten Tage den Größenwahn geschnappt oder triebe mit
Ihnen und den Heimatschutzbestrebungen Scherz. Nein, es ist mir ganz
ernsthaft zumute bei der Eingabe meines Angebotes. Ich sehe im Geiste,
wie Sie lächeln und mit dem Kopfe schütteln, ich glaube zu vernehmen
ein deutliches: Quatschkopf, man merkt es, du wirst alt.
Also hören Sie an. Ihr sächsischer Landtag hatte in seiner Sitzung am
4. März 1921 ein von Ihnen eingebrachtes Schutzgesetz für uns und alle,
die unter der unvernünftigen Pelzjägerei leiden mußten, mit seltener
Einmütigkeit und selten fröhlicher Stimmung abgelehnt. Ich schrieb
Ihnen noch den bekannten Brief »In eigener Sache ein letztes Wort« und
hielt es dann für ratsam, auszuwandern. Sie sagen: Das stimmt. Aber
wohin auswandern? Woher wußtest du von einem rettenden Lande?
Ja, mein Lieber, auch wir haben unsere Beziehungen, auch wir haben
unsere Vertrauensleute überall sitzen. Außerdem sind unsere Nerven
so fein, daß wir die terrestrischen Radiowellen ohne Hörer glatt
aufnehmen und uns nach den auf diese Weise erhaltenen Mitteilungen
richten können. Ich grub mich nach Schlesien durch, da ich erfahren
hatte, daß der preußische Landwirtschaftsminister durch Erlaß vom 8.
April 1920 den Regierungspräsidenten anheimgestellt hatte, zum Schutze
unserer Sippschaft Polizeiverordnungen zu erlassen. Das ist auch für
fünfzehn Regierungsbezirke und für einige Kreise geschehen. Damit
war verboten, uns außer in geschlossenen Gärten, auf Deichen usw. zu
fangen und zu töten. Nur in besonderen Fällen konnten von Ortsbehörden
Ausnahmebestimmungen erlassen werden. Die Regierungsbezirke Düsseldorf
und Trier, die Kreise Köln-Stadt und Bergheim im Bezirk Köln schränkten
das Verbot des Fangens und Tötens ein auf fremde Grundstücke. Damit
noch nicht genug. In dreizehn von den fünfzehn Regierungsbezirken
(Schneidemühl, Köslin, Breslau, Liegnitz, Oppeln, Magdeburg, Merseburg,
Minden, Hildesheim, Wiesbaden, Coblenz, Aachen, Sigmaringen) wurde
sogar die öffentliche Ankündigung zur Abnahme unserer Felle verboten.
Wenn auch nicht im Wege der Reichsverordnung, so doch im Wege der
Landesgesetzgebung wurden wir geschützt. Die Minister für Handel
und Gewerbe und für Landwirtschaft, Domänen und Forsten regten
aber von sich aus den Erlaß einer Reichsverordnung an. Hatte der
Regierungspräsident von Oppeln unter dem 22. Juli 1920 (nicht erst
am 4. März 1921 sächsischer Landtagsrechnung) eine Polizeiverordnung
zu unserem Schutze für das Abstimmungsgebiet des Regierungsbezirkes
erlassen, so dehnte er durch Bekanntmachung vom 1. Dezember 1924
(Regierungs-Amtsblatt – nicht in der Sächsischen Staatszeitung –
Stück 16 vom 18. April 1925) diese Verordnung auch auf den nicht zum
ehemaligen Abstimmungsgebiete gehörenden Teil seines Regierungsbezirkes
aus. So sind wir nunmehr in ganz Schlesien geschützt.
Sie sehen, wir sind ganz genau unterrichtet. Ich kann Ihnen sogar
noch mehr erzählen. Seit dem 31. März 1920 gibt es in Württemberg
ein Schutzgesetz für uns. Uns darf nur in geschlossenen Gärten
nachgestellt werden. In gewissen Fällen können die Gemeindebehörden
– wie in Preußen – Ausnahmebestimmungen erlassen. Die Verfügung
des Ernährungsministeriums vom 9. Dezember 1920 gibt aber klar und
eindeutig an, wer auf uneingefriedeten Grundstücken fangen darf
und unter welchen Bedingungen. Angebote zu Verkauf und Ankauf von
unseren Fellen sind dort ebenfalls verboten. Wer sich nicht daran
hält, kann mit Gefängnis bis zu einem Jahr und mit verhältnismäßig
hoher Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen belegt werden. Eine
Einschränkung hat Württemberg allerdings vorgenommen. Das für die
Angelegenheiten der Landwirtschaft zuständige Ministerium kann die
einzelnen Bestimmungen für das ganze Staatsgebiet oder Teile davon auf
bestimmte oder unbestimmte Zeit außer Kraft setzen. Ganz ähnlich lautet
das entsprechende Schutzgesetz in Holland.
Und was haben Sie in Sachsen gefordert? War es nicht dasselbe?
Ich grub mich also nach Schlesien hinaus und hatte Ruhe.
1921 schrieb ich Ihnen: »Es ist uns unbeabsichtigt Hilfe von anderer
Seite gekommen. Frau Mode, das wetterwendische Weib, hat uns ihre Gunst
wieder entzogen. Das ist unser Glück. Frau Mode hat Euch Menschen alle
am Bändel. (Heute würde ich vielleicht schreiben »am Narrenseil«.)
Hoffentlich beehrt sie uns recht lange mit ihrer Geringschätzung.
Dann werden wir auch Ruhe haben. Wen sie unter uns freien Geschöpfen
mit ihrer Gunst beglückte, dem brachte sie den Untergang.« Im neuen
Brehm, der vielleicht bei gewissen Leuten mehr zieht als der alte,
steht es Schwarz auf Weiß im 10. Bande Seite 320: Nach einer Auskunft,
die von einer hervorragenden, an den Zentralen des Pelzhandels in
Leipzig und London domizilierenden Rauchwarenfirma herrührt, ist die
Mode des Maulwurfpelztragens im entschiedenen Rückgange begriffen und
dürfte in absehbarer Zeit ganz verschwinden. Zur Zeit (Juni 1904)
ist das Angebot auf dem Weltmarkt in London zirka eine Million Felle
jährlich, wovon der deutsche Anteil etwa zwanzig Prozent betragen mag.
Die Verfasser vom neuen Brehm schreiben hinzu: »Heute sind die kleinen
Samtfellchen des Maulwurfes aus der Pelzkonfektion längst wieder
verschwunden«. Leider haben sich diese große Pelzfirma und die Herren
Verfasser vom Brehm gründlich getäuscht. Oder sollte ihnen 1920 nicht
bekannt geworden sein, daß zum Beispiel zu einem Umhang für eine eitle,
gedankenlose Frau, nein (das wäre Verletzung der Frau und Mutter),
für ein eitles, gedankenloses menschliches Wesen etwa dreihundert
Maulwurfsfelle und vierundsechzig Felle des grauen sibirischen
Eichhörnchens verwendet und sechshundertfünfundsiebzig Dollar (1920)
dafür verlangt und auch gezahlt worden sind? An dieses eine Beispiel
ließen sich leicht weitere, ganz ähnliche anfügen. Schon 1904 hatte
der Verband fortschrittlicher Frauenvereine beim Reichskanzler eine
Eingabe abgegeben, in der gefordert wurde, einen vermehrten Schutz
unserer Sippe herbeizuführen (wir waren schon um 1890 einmal in Mode
gekommen), den Maulwurffang und sogar das Tragen von Maulwurfspelzen
unter Strafe zu stellen. Das war 1904. Und 1920, 1921!!! Wo bleibt Euer
vielgerühmter Fortschritt, der innere Fortschritt?
Ich weiß auch, daß jemand von Euch gesagt hat: Diejenigen, die
in unserem Klima wirklich einen Pelz brauchen, sind die, die als
Fahrzeugführer zu tun haben. Alle anderen – fast ohne Ausnahme – tragen
ihn als Modestück. Aber eins haben uns unsere Vertrauensleute doch noch
nicht gemeldet, daß ein angestellter Fahrzeugführer einen Pelz aus
unseren Fellen getragen hätte.
Doch zurück zu meiner Anzeige. Was bringt mich darauf? Ich
habe von verschiedenen Seiten vernommen, daß Euch die Maikäfer
Sorgen bereiten. Die Biologische Reichsanstalt versendet seit
einigen Jahren Maikäfermerkblätter. Nach der ganzen Arbeitsweise
dieser Anstalt kann ich nicht annehmen, daß sie das nur tut, um
etwa die Verbreitungsbezirke vom gewöhnlichen Maikäfer und vom
Roßkastanien-Maikäfer klarzulegen. Das Wort Maikäferjahre wird oft
genannt.
Man versucht die Zusammenhänge aufzudecken, die jedes Lebewesen als
Glied einer geschlossenen Kette erkennen lassen. Man zeigt, wie eine
Veränderung an irgendeiner Stelle der Kette zwingend auf alle anderen
Glieder einwirken muß. Da taucht auch die Rede auf von den Maikäfern,
die Euch Menschen die Milch wegtrinken. Das ist närrisch, aber leider
wahr. Überlegt es Euch einmal. Wenn jemand sagte: Maikäfer, die Euch
die Kartoffeln wegfressen, so hätte der auch recht.
Im schweizerischen Rhonetale soll eine Gemeinde einmal versucht haben
festzustellen, ob es wirklich an dem sei, daß Engerlinge den Grasnutzen
merklich schmälern und dadurch die Futtermenge, die Milchviehhaltung
und den Milchertrag merklich mindern könnten. Das Ergebnis ist
wohl so gewesen, daß auf einen Hektar engerlingsfreier Wiese etwa
zwanzig Zentner Heu mehr geerntet worden sind als auf den Wiesen,
die engerlingsreich waren. Verbürgen kann ich mich für diese Angaben
nicht, aber ein gut Teil Wahrheit steckt dahinter. Hätte man statt
des Wiesenlandes Kartoffelland zu diesen Untersuchungen benutzt, so
wären sicher ähnliche Ergebnisse zutage getreten. Jetzt werden Mittel
gesucht, die den Engerlingsschaden mindern und damit die Erträgnisse
der Ländereien unter sonst gleichen Bedingungen heben sollen. Aber
keins wird darunter sein, das ohne Opfer an Zeit und Geld anzuwenden
wäre.
Was haben aber wir Mulle damit zu tun? Daß wir Engerlinge fressen, das
ist wohl bekannt. Herr Wiesenbaumeister Bernatz hat ja nun gefunden,
daß wir nur zweimal im Jahre Engerlinge fräßen, hat das auch mit
seinen Erfahrungen belegt. Das eine Mal wäre es im Frühjahre, wenn die
Engerlinge aus den frostfreien Schichten zu den Graswurzeln, Kartoffeln
usw. emporstiegen. Das andere Mal wäre dann, wenn sie im Herbste
wieder zur Tiefe gingen. Dabei müßten sie unser Röhrennetz schneiden
und fielen uns zur Beute. Zu anderen Zeiten erwischten wir keine.
Unsere Gänge seien im Sommer unter den Engerlingen, im Winter über
ihnen. Ich halte dem entgegen: Es haben etliche von Euch Versuche mit
gefangenen Brüdern von mir angestellt, ob wir unsere Beute auf gewisse
Entfernungen hin, durch Erdschichten hindurch usw. auch zu wittern
vermöchten. Die Versuche haben Euch gezeigt, daß wir das können. Und
unser Jungvolk fährt zumeist dicht unter der Erdoberfläche dahin. Da
muß mancher Engerling gewahr werden, daß er nicht bloß im Frühjahr und
im Herbste sich vor uns sichern möchte.
Aber mag daran sein, was will. Jeder Engerling, der von uns gefressen
wird, bedeutet für Euch Gewinn an Graswuchs, an Kartoffelwuchs, an
Futter, an Kartoffeln, an Milch, an Fleisch. Aus den Engerlingen
werden Käfer. Auch diese fressen. Jeder Fraß am Baume mindert in
entsprechendem Maße den Ertrag an allem, was der Baum bietet. Schwingt
Euch einmal zu den Gedankengängen eines Leberecht Hühnchen auf, der
sich ausmalt, was er alles verzehrt, wenn er ein einziges Hühnerei
genießt: einen ganzen Hühnerpark. Wendet das auf uns an. Was verzehren
wir alles, wenn wir einen einzigen Engerling auffressen! Liegt auch
eine starke Übertreibung darin, so ist eine solche Betrachtung doch
sehr lehrreich und bedeutsam. Was ich hier auf den Engerling bezogen
habe, das könnt Ihr auch auf jeden anderen tierischen, innerirdischen
Bewohner Eurer Grundstücke anwenden, den wir zu überwinden vermögen.
Ich gehe noch weiter und schlage vor: Nehmt zwei Stück gleichwertiges
Land, zwei Wiesen oder zwei Stück Kartoffelland. Das eine säubert von
uns; auf dem andern laßt uns in Ruhe. Prüft von beiden die Erträge.
Setzt bei der Wiese ruhig in Rechnung, daß Ihr wegen unserer Hügel
die Sense vielleicht etwas höher einsetzen müßt, daß daher höhere
Grasstoppeln stehen bleiben, als unbedingt nötig wäre. Ich habe die
Zuversicht, daß wir uns trotz allem nicht als so schlimme Gäste
erweisen werden, als die wir von verschiedenen Seiten her immer
hingestellt werden. Daß wir ihrer auf einem Stück nicht zuviel werden,
dafür sorgen wir schon selbst. Wir haben eine große Freßlust. Auf einem
Stück, auf dem einer von uns gerade satt wird, da duldet er keine
weiteren Mitfresser. Einer muß weichen; da gibt es kein Erbarmen.
Ich glaube, meine Anzeige wird jetzt deutlich. Für uns Mulle allein
will ich auch nicht sprechen. Ich will nur immer und immer betonen:
_Ihr Menschen, stört nicht ohne dringende Not das Gleichgewicht in
der Natur!_ Habt Ihr Eingriffe in den Gleichgewichtszustand vor,
dann fragt Euch ernstlich: Was für _unmittelbare Folgen_ wird unser
Eingriff haben? Aber seid damit noch nicht zufrieden, sondern stellt
Euch die viel schwerere Frage: Was für _mittelbare_, _weitgehende_
Folgen können aus diesem Eingriff erwachsen? Bedenkt dabei, daß diese
mittelbaren Folgen Nachteile zu bringen vermögen, die den unmittelbaren
Nutzen zunichte machen können. Ein augenblicklicher, vielleicht nur
persönlicher Gewinn kann ausschlagen zum dauernden Schaden, den meist
die Allgemeinheit zu tragen hat.
Darum will ich zum Schlusse Ihnen noch ein weiteres Bedenken, das
mich beunruhigt, vorbringen: Die Kiefernwaldungen werden in gewissen
Gegenden von einem Nachtschmetterling, einer sogenannten Eule, schwer
heimgesucht. Die ausgedehnten Bestände sind dem Untergange nahe.
Einmal die Nonne, dann diese Eule! Ist diese Massenhaftigkeit des
Auftretens dieser zwei Waldverderber nicht vielleicht auch eine
mittelbare, weittragende Folge einer Gleichgewichtsstörung im Walde?
Es wird doch jetzt so viel geredet und geschrieben vom Mischwald, vom
Dauerwald. Nun sucht Ihr nach Abwehrmitteln und wollt es jetzt mit
einem starken Gift versuchen, das Flieger über den befallenen Waldungen
von ihren Flugzeugen aus abblasen sollen. Ich weiß nicht, von mir aus
gesehen – ich betrachte die Dinge nur aus der Maulwurfperspektive,
nicht von Eurer erhabenen Warte aus – scheint das wieder eine
Gleichgewichtsstörung zu werden. Dieser Eule gegenüber wird dieses
Mittel wahrscheinlich einen augenblicklichen, vielleicht auch einen
auf gewisse Zeit anhaltenden Erfolg bringen. Ich denke aber an die
mittelbaren Wirkungen, die nicht heute, nicht morgen in die Erscheinung
zu treten brauchen, aber sicher einmal zu spüren sein werden. Wird nur
der Schmetterling vernichtet werden? Wird der Gifttod nicht auch andere
Lebewesen raffen, auch solche, die er nicht treffen sollte?
Dies wäre von Ihnen und denen, die dem Heimatschutz und damit dem
Naturschutz nahestehen und ein Wort dazu zu sagen vermögen, wohl zu
bedenken. »Zu spät« ist ein furchtbares Wort. Sorgen Sie mit dafür,
daß dieses Wort verschwinden, daß die Tragödienreihe aus Tier-
und Pflanzenreich nicht immer neue Fortsetzungen finden möge, die
Reihe, die unter der Überschrift steht: »Zu spät« durch menschliche
Verblendung!
Damit will ich schließen. Ich sinniere jetzt über Dinge, die mich
eigentlich gar nichts angehen. Früher lebte ich, wie mir schien, mein
Leben leichter. Da dachte ich mehr an mich und weniger an die anderen.
Jetzt muß ich immer mehr an die anderen denken und weniger an mich.
Wenn solche Gedankengänge _ein Maulwurfshirn_ erobern können, sollte
nicht auch _jedes Menschenhirn_ davon erfüllt sein müssen! Niemand ist
für sich da. Jedes ist für alle und alle sind für jedes da. Dieses
Umdenken in meinem Maulwurfshirn kann nur meine Bekanntschaft mit Ihren
Bestrebungen bewirkt haben. Möchte es jedem so gehen!
Glück ab! für mich.
Glück auf! für Sie.
Erdmut Sammetwühler,
Ehrenobermullrich ~s. c.~ (= ~senectutis causa~).
Postskriptum: Ich glaube, es gehört sich für einen richtigen
Briefschreiber, daß er ein Postskriptum fertig bringt. Darum
füge ich auch eins an. Am 22. August 1925 hat in der Meißner
Landwirtschaftlichen Zeitung gestanden: Auf dem Acker beginnt jetzt
der Kampf gegen die Getreideschädiger. Die schlimmsten unter ihnen,
die _Erdraupen_, _Drahtwürmer_ und _Engerlinge_, kann man überhaupt
nur fassen, wenn man ihnen _einzeln_ ans Leben geht ... _Es gibt
keinen größeren Vertilger dieser »Würmer« als den Maulwurf. Ihn sollte
man durchaus schonen. Schon heute gibt es eine Anzahl Praktiker,
welche die Zunahme der Drahtwurmplage in Zusammenhang bringen mit der
schonungslosen Jagd, die man während und nach dem Kriege gegen den
Maulwurf geführt hat._ (Karl Schöpke, Jessen, Bez. Halle.) So ein
Bericht tut wohl. Sollte unsere Maulwurfsdämmerung in graue Fernen
rücken, sollte es vielleicht anderswo in anderer Art anfangen zu
dämmern?! Hoffentlich! Glück zu!
D. O.
[Illustration]
Die Lachmöwe in Sachsen und in den angrenzenden Landschaften der
preußischen Oberlausitz
Von _Rud. Zimmermann_, Dresden
Mit Abbildungen nach Naturaufnahmen von E. Schwarze und dem Verfasser
Von den Vogelarten unserer Heimat, die mich in den letzten Jahren
besonders gefesselt haben, steht die Lachmöwe mit an erster Stelle.
Häufige Besuche der volkreichen, zu den prächtigsten Naturdenkmälern
Sachsens zählenden Kolonie auf dem Freitelsdorfer Vierteich (nördlich
Radeburg) in den Jahren nach dem Kriege, denen sich dann kaum
weniger zahlreich solche auch anderer Siedlungen unseres Vogels
vorwiegend in den Grenzgebieten der sächsisch-preußischen Oberlausitz
anschlossen, führten ganz zwangsläufig zu einer Beschäftigung auch
mit der Geschichte dieser Kolonien und zu Untersuchungen über den
Bestand unseres Vogels einst und jetzt. Obwohl die Ergebnisse dieser
Untersuchungen noch ihrer endgültigen Auswertung harren, sei es mir
doch bereits heute hier gestattet, ihnen einiges vorwegzunehmen und den
Lesern der Heimatschutzmitteilungen einiges über unseren Vogel und sein
Vorkommen in unserem Vaterlande zu berichten.
Die Brutkolonien der Lachmöwe in Sachsen sind durchweg jüngeren
Ursprungs. Wir wissen ja, daß unser Land größere natürliche,
stehende Gewässer nicht besitzt und daß die heute besonders in den
Flachlandschaften östlich der Elbe so zahlreichen ausgedehnten Teiche
sämtlich künstlich angelegte Stauteiche sind, deren erste Anfänge zwar
in die Zeit nach der Besiedlung des Landes und seiner Urbarmachung
durch die Deutschen fallen, die in ihrer Mehrzahl aber in noch
späteren Jahrhunderten entstanden sind. Durch ihre Anlage erst wurde
der Lachmöwe die Möglichkeit zur Ansiedlung und zur Gründung von
Brutkolonien geschaffen. Nun ist es allerdings nicht ausgeschlossen,
daß der Vogel vor dem Vorhandensein von Teichen bereits im Bereiche der
Elbe, deren Lauf ehedem ja weite Altwässer und dergleichen begleitet
haben mögen, Heimatsrechte im Lande besessen haben kann, doch sind
wir für eine derartige Annahme ausschließlich auf Vermutungen, nicht
aber auch auf gesicherte Beweise angewiesen. Das älteste sächsische
Vogelverzeichnis, das den meißnischen Arzt und Naturforscher Kentmann
(nicht aber den meißnischen Rektor Fabricius, wie Bernh. Hoffmann,
Mitt. Sächs. Heimatsch. 12, 1923, S. 41, irrtümlich angibt) zum
Verfasser hat und das die um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts bei
Meißen an und auf der Elbe vorgekommenen Vögel aufzählt, nennt auch
eine Anzahl »Miben« (= Möwen). Doch lassen sie sich mit Sicherheit
auf ihre Art nicht feststellen (der Hoffmannsche Versuch einer
Namenserklärung ist in vielem zu gezwungen, wennschon die Lachmöwe
bestimmt mit unter den aufgezählten Vögeln sich befinden dürfte) und
außerdem sagt es uns leider gar nichts über die Art des Vorkommens
selbst. Es ist also, selbst wenn wir dabei außer acht lassen, daß es
bereits in eine verhältnismäßig späte Zeit fällt, für unsere Frage ohne
Wert.
[Illustration:
Aufnahme von E. Schwarze
Abb. 1. =Aus der ehemaligen Lachmöwenkolonie des Dippelsdorfer Teiches=
bei Moritzburg]
Die am frühesten im Schrifttum erwähnte sächsische Lachmöwenkolonie ist
die heute allerdings nicht mehr bestehende auf dem Dippelsdorfer Teich
bei Moritzburg gewesen; über sie berichtete 1840 der besonders um die
sächsische Säugetierforschung verdiente A. Dehne an Christian Ludwig
Brehm, daß sie fünfhundert Brutpaare umfasse. 1893 schätzte sie F.
Helm, nachdem sie, da der Dippelsdorfer Teich von 1864 bis 1876 trocken
gelegen und landwirtschaftlichen Zwecken gedient hatte, zeitweise
erloschen gewesen sein muß, wiederum auf etwa fünfhundert Paare, und
1906 noch trafen der verstorbene Mayhoff und R. Schelcher einen Bestand
an, »der der früheren Herrlichkeit nicht allzuviel nachgeben mochte.«
In den folgenden Jahren aber nahm die Zahl der Vögel rasch ab, bis in
den letzten Kriegsjahren die Kolonie gänzlich erlosch. Zeitlich mit
dem Eingehen der Dippelsdorfer Kolonie fällt wohl auch das Eingehen
einer kleineren Siedlung auf dem Moritzburger Frauenteich zusammen,
deren Stärke 1910 Mayhoff und Schelcher auf vierzig bis fünfzig Paare
bezifferten. Das Erlöschen der Dippelsdorfer Kolonie führte zur
Entstehung einer anderen oder, wenn diese (in dann aber kleinerem
Umfange) schon bestanden haben sollte, zu deren Aufblühen, nämlich der
auf dem Freitelsdorfer Vierteich, der heute bedeutendsten Sachsens.
Hoffmann schätzte 1916 ihre Stärke auf eintausendfünfhundert Paare und
mit eintausend Paaren bezifferte sie auch Mayhoff, eine Zahl, die auch
ich auf Grund meiner zahlreichen Besuche der Kolonie während der Jahre
1920 bis 1924 für die der Wirklichkeit am nächsten kommende halten
möchte. Für 1925 allerdings melden Beobachter – ich selbst konnte die
Kolonie in diesem Jahre leider nicht besuchen – einen Rückgang ihres
Bestandes. Dafür jedoch hat eine andere Kolonie, die im Schrifttum
früh schon genannt wird, aber in den Jahren nach dem Kriege sehr
zusammengeschrumpft war und nur noch höchstens fünfzig oder etwas mehr
Paare umfaßte, einen neuen Aufschwung genommen, nämlich die auf dem
Adelsdorfer Spitalteich. Ihre ersten Erwähnungen fallen in das Ende der
siebziger und in die erste Hälfte der achtziger Jahre des verflossenen
Jahrhunderts. Aus dieser Zeit liegen auch Schätzungen vor, die ihre
Stärke auf eintausend Paare beziffern. Zeitweilig splitterten Teile von
ihr ab und führten zur Entstehung kleinerer Kolonien auf benachbarten
Teichen, und später erlosch sie sogar gänzlich. Um 1900 hat sie
bestimmt nicht mehr bestanden, und erst nach der Jahrhundertwende
besiedelte unser Vogel den Teich von neuem. Bei einem Besuche der
Kolonie Ende Mai dieses Jahres, wobei ich dank dem liebenswürdigen
Entgegenkommen des Bewirtschafters des Teiches die Kolonie in ihrem
gesamten Umfange mit dem Boote abfahren konnte, bot sie sich in einer
Schönheit und einer Stärke dar, die der Freitelsdorfer Kolonie nicht
oder nur um ein Geringes nachstand. Es ist sehr wahrscheinlich, daß
die Entstehung der ersten Kolonie auf dem Adelsdorfer Spitalteich eine
Folge des Erlöschens der Dippelsdorfer Kolonie in den sechziger Jahren
des verflossenen Jahrhunderts gewesen ist; die dort zum Abwandern
gezwungenen Vögel ließen sich hier nieder.
[Illustration:
Aufnahme von Rud. Zimmermann
Abb. 2. =Brütende Lachmöwe= (Vierteich bei Freitelsdorf)]
Eine ebenfalls größere Kolonie beherbergte lange Zeit auch der
Grüngräbchener Lugteich. Ihr Erlöschen fällt noch in die Zeit vor dem
Krieg, doch siedelten sich 1922 von neuem gegen fünfzig Paare auf
dem Teiche an. Im darauffolgenden Jahre allerdings kehrte nur eine
verschwindend kleine Anzahl wieder zurück, und 1924 waren es nur noch
ganze zwei Paare, die auf dem Teiche brüteten. Im nördlich angrenzenden
preußischen Gebiet bestanden eine etwas größere (einige hundert Paare
umfassende?) Kolonie bei Niemtsch und eine kleine bei Kroppen. Die
erstere erlosch 1910 infolge der Entwässerung der Teiche durch den
Bergwerksbetrieb, während ich über die zweite, anscheinend ebenfalls
nicht mehr bestehende, zuverlässige Nachrichten bisher nicht erlangen
konnte. Außer diesen beiden, im Schrifttum bereits bekannten Siedlungen
scheinen hier und da aber auch noch einzelne kleinere Kolonien
vorhanden zu sein; sie entgehen dem Beobachter meistens, weil sie einem
dauernden Wechsel unterworfen sind, hier erlöschen und dort wieder
neu aufleben. So stellte z. B. 1924 E. Dittmann, Dresden, eine kleine
Siedlung unseres Vogels auf dem Sorgeteich bei Guteborn fest.
Weiter östlich sind es besonders die Gegend von Königswartha und die
sich dieser im Norden anschließenden Landschaften der preußischen
Oberlausitz, die von jeher volkreiche Brutkolonien unseres Vogels
beherbergt haben und sie auch heute noch beherbergen. Bernhardt
Hantzsch erwähnt 1903 als noch auf sächsischem Gebiet gelegen eine
kleinere, etwa zweihundert Paare umfassende, anscheinend aber nicht
lange bestehende und heute nicht mehr vorhandene Kolonie auf dem
Commerauer Mühlteich; ich lernte weitere auf den Caßlauer Wiesenteichen
und dem Caminauer Altteich kennen, die aber beide 1924 infolge
vorgekommener Störungen aufgegeben wurden und von denen die auf den
Caßlauer Wiesenteichen in diesem Jahre von mindestens zweihundert
Paaren von neuem besiedelt, aber leider ein Opfer von Krähen wurde,
die sie fast restlos plünderten. 1924 entstand eine kleine, nur einige
wenige Paare umfassende Kolonie auf dem Holschaer Großteich (begründet
wohl von Vögeln, die von den Caßlauer Wiesenteichen abgewandert waren),
die aber in diesem Jahre meines Wissens nicht wieder besiedelt worden
ist.
Die größten Kolonien der Gegend liegen jedoch dicht jenseits der
Landesgrenze auf preußischem Gebiet. Es sind die von Koblenz und
Klösterlich-Neudorf (bei Wittichenau). Stolz nennt 1911 die bereits
1903 Bernhardt Hantzsch bekannt gewesene Koblenzer Kolonie eine
»kleine Siedlung«. Sie muß aber dann sehr schnell volkreicher geworden
sein, ging um das Kriegsende aber wieder zurück und stieg danach von
neuem langsam an; 1924 konnte ich auf Grund wiederholter Besuche
ihren Bestand auf mindestens sechshundert Paare einschätzen. 1925
bot sie sich bei meinem ersten Besuch am 20. Mai viel vogelärmer als
im vorhergegangenen Jahre dar, und bei einem weiteren am 30. Mai
stellte sie sich als fast restlos vernichtet dar: sie war ein Opfer
rücksichtslosester Eierräubereien durch Unbefugte (wohl durch die
Belegschaft der nahen Kohlengrube Werminghoff) geworden. Die Neudorfer
Kolonie war und ist auch heute noch eine der größeren; ihr Bestand
dürfte zeitweilig an tausend (und vielleicht noch mehr) Brutpaare
herangekommen sein. Auch sie ging in den letzten Jahren zurück (in dem
Maße, wie die Koblenzer Kolonie volkreicher wurde?), nahm aber dann in
diesem Jahre wieder (zum Teil wohl durch Zuzug der von den Koblenzer
Teichen abgewanderten Vögel) einen neuen Aufschwung und dürfte zuletzt
gegen fünfhundert (oder auch etwas mehr) Paare umfaßt haben. Neben
diesen größeren Kolonien werden im Schrifttum auch noch einzelne, meist
nur wenige Paare umfassende kleinere Kolonien erwähnt, die aber, wie
wir dies ja auch schon in anderen Fällen sahen, nie von langem Bestand
und einem dauernden Wechsel unterworfen gewesen sind; sie immer mit
Sicherheit zu erfassen und zu verzeichnen, ist in dem ausgedehnten,
ja so teichreichen Gebiete für den einzelnen Beobachter jedoch nicht
leicht.
Im äußersten Osten Sachsens bestanden schließlich früher noch zwei
Kolonien bei Großhennersdorf und Burkersdorf, die um 1860 sehr
volkreich gewesen sein sollen, später aber abnahmen, und – nachdem 1887
die Nester durch ein Hochwasser zerstört worden waren – 1890 gänzlich
erloschen. Auf angrenzendem schlesischem Gebiet endlich begegnen wir im
Kreise Görlitz noch drei weiteren Kolonien, nämlich auf dem Sohrteich
bei Görlitz, bei Ullersdorf und bei den Spreer Heidehäusern. Die
erstere ist seit mehr als hundert Jahren bekannt gewesen, sie soll um
1820 »Hunderte von Paaren« umfaßt haben, ging aber dann in den Jahren
von 1910 bis 1913 ein. Die zu Ullersdorf bezeichnete William Baer
1898 als »womöglich noch stärker« als die auf dem Sohrteiche, doch
traf auch sie das Schicksal der letzteren, sie erlosch 1920. Dagegen
hat aber die, von mir 1923 besuchte, der Spreer Heidehäuser in den
letzten Jahren stark gewonnen, Pax bezifferte 1924 ihren Bestand mit
sechshundert Paaren eher zu niedrig, als zu hoch.
Wenden wir uns nun kurz noch dem Vorkommen des Vogels auch in
Westsachsen zu, so müssen wir feststellen, daß dieser Teil des
Landes augenblicklich keine einzige Kolonie mehr aufweist und daß
die früher hier vorhanden gewesenen sich niemals auch nur annähernd
mit den ostelbischen messen konnten. Eine kleine, nur dreißig bis
vierzig Paare umfassende Siedlung bestand 1873 (und nur in diesem
Jahre?) auf dem Burkartshainer Teich bei Wurzen, eine andere wird
für die achtziger Jahre vom Müncherteiche bei Grimma genannt. Eine
ebenfalls nur vorübergehende kleinere, vielleicht bis oder etwas
über hundert Paare umfassende Kolonie verzeichnet weiter Hennicke
für den Anfang der neunziger Jahre für die Rohrbacher Teiche. Seit
Mitte der achtziger Jahre wird ferner das Brüten unseres Vogels von
den Frohburg-Eschefelder Teichen erwähnt; die ebenfalls niemals groß
gewesene Kolonie erlosch um 1913, obgleich auch in späteren Jahren
ab und zu hier nochmals einige Paare gebrütet haben mögen. Die Vögel
scheinen sich nach den nahen, auf altenburgischem Gebiete gelegenen
Haselbacher Teichen gewendet zu haben, die als Niststätte von
Lachmöwen 1889 erstmals erwähnt werden und, mit dazwischen gelegenen
Pausen, noch bis in die letzten Jahre einzelnen Paaren des Vogels
Nistgelegenheit geboten haben. Schließlich gedenkt auch Richard Heyder
des Brutvorkommens weniger Paare während der Jahre 1912 bis 1914 auf
dem Großhartmannsdorfer Teich. –
[Illustration:
Aufnahme von Rud. Zimmermann
Abb. 3. =Lachmöwe auf das Nest gehend= (Klösterlich-Neudorf O./L.)]
Unsere vorstehenden, kurzen Untersuchungen über die Lachmöwensiedlungen
unserer Heimat lassen dabei ganz von selbst die Frage entstehen: »Wie
verhält es sich mit dem zahlenmäßigen Bestand unseres Vogels, ist er
sich gleich geblieben oder hat er, wie dies so oft behauptet worden
ist, und wie ich dies auch selbst – ich betone dies ganz besonders –
bisher angenommen habe, eine wesentliche Abnahme erfahren?« Eine alle
Zweifel ausschließende Beantwortung derselben ist allerdings nicht ganz
leicht, ja, vielleicht überhaupt nicht möglich. Denn uns fehlen dazu
aus der Vergangenheit die notwendigen Unterlagen, Untersuchungen und
Aufzeichnungen sowohl über die Zahl der ehemals vorhandenen Kolonien –
die Zahl der aus dem ostelbischen Gebiet aus der Gegenwart bekannten z.
B. ist größer als diejenige der in gewissen Zeiten im Schrifttum der
Vergangenheit erwähnten – ebenso wie auch sorgfältige Schätzungen ihres
Vogelbestandes. Die letzteren sind fast immer ganz allgemein in den
meistens auch heute noch gebrauchten, nichts oder nur wenig sagenden
Ausdrücken »einige hundert Paare« oder bei stärkeren Kolonien »tausend
Paare,« »über tausend Paare« usw. gehalten. Wenn man nun aber die auf
uns überkommenen wenig exakten Angaben etwas kritisch einzuwerten
vermag und nie die einzelne Kolonie an sich betrachtet, sondern dabei
das Gesamtvorkommen des Vogels in dem unseren Untersuchungen zugrunde
liegenden Gebiete im Auge behält, wenn man ferner aus den Verhältnissen
der Gegenwart unvoreingenommene Schlüsse zu ziehen imstande ist, und
schließlich die Kolonien selbst auch kennt und den unseren Vögeln im
Gebiete zur Verfügung stehenden Lebensraum berücksichtigt, so kommt
man zu dem Schluß, daß eine wirklich erhebliche Abnahme im Bestand
der Lachmöwe in unserem Gebiete sich nicht nachweisen läßt und daß
eine solche Abnahme auch gar nicht wahrscheinlich ist. Wir sehen zwar
Kolonien verschwinden, an ihrer Stelle aber auch immer wieder neue
entstehen oder bereits vorhandene volkreicher werden. Erinnert sei hier
nur an das erste Erlöschen der Dippelsdorfer Kolonie in den sechziger
Jahren, an das sich, wenn meine Nachforschungen an Ort und Stelle nicht
trügen, höchst wahrscheinlich die Entstehung der Adelsdorfer Kolonie
knüpft, erinnert an das Eingehen auch der späteren Dippelsdorfer
Kolonie, das die Entstehung oder zum mindesten ein gewaltiges Aufblühen
der heute so großen und wirklich prächtigen Freitelsdorfer Kolonie
zur Folge hatte und deren wahrscheinliche (immerhin dann aber nur
geringere) Abnahme in diesem Jahre mit einem kaum geahnten Anwachsen
der fast zur Bedeutungslosigkeit herabgesunken gewesenen Adelsdorfer
Kolonie verknüpft ist. Die oben erwähnte Abnahme auch der Neudorfer
Kolonie in den letzten Jahren spiegelt sich wahrscheinlich in der
gleichzeitigen Zunahme der Koblenzer Kolonie wieder, das Eingehen der
Kolonien auf den Caßlauer Wiesen- und dem Caminauer Altteich 1924
drückt sich wiederum in der Stärke der Koblenzer Kolonie im gleichen
Jahre aus, die die des vorhergegangenen um ein ganz erhebliches
übertraf, und die Vernichtung der Koblenzer Kolonie in diesem Jahre
hatte, wie sich von den im Gebiete regelmäßig anwesenden Beobachter
leicht verfolgen ließ, die Wiederbesiedlung der Caßlauer Wiesenteiche
und eine deutlich zum Ausdruck kommende Bestandszunahme der Neudorfer
Kolonie zur Folge. – Man hat bisher nur immer das Verschwinden einer
Kolonie als Verlust gebucht, aber selten auch die Entstehung neuer oder
das Aufblühen bereits bestehender auf der Gewinnseite eingetragen.
[Illustration:
Aufnahme von Rud. Zimmermann
Abb. 4. =Brütende Lachmöwe= (Klösterlich-Neudorf O./L.)]
Die Lachmöwe hat oft etwas zigeunerhaftes an sich; sie liebt den
Wechsel, der sich besonders im Entstehen und Wiederverschwinden
der kleineren Kolonien ausdrückt. Aber auch die Art der
Teichbewirtschaftung ist von großem Einfluß auf die einzelnen
Kolonien, ihren zeitlichen Bestand und ihre Stärke; das Eingehen der
Dippelsdorfer Kolonie gegen Kriegsende z. B. scheint mit der durch den
Krieg bedingten größeren Rohrnutzung in unmittelbarem Zusammenhang
zu stehen. Daß schließlich auch wilde Eierräubereien, wie wir sie in
dem Koblenzer Beispiel kennen lernten, Kolonien gefährden können und
gefährden müssen, bedarf wohl kaum eines besonderen Hinweises, dies
zeigt uns deutlich ja das eben erwähnte Beispiel. In diesem Falle haben
sich die Schädigungen lediglich örtlich ausgewirkt: sie veranlaßten
die von den Plünderungen betroffenen Vögel lediglich zur Abwanderung
nach Teichgebieten in der unmittelbaren Nachbarschaft, würden
aber wohl bestimmt das Verschwinden der Vögel im Gebiet überhaupt
zur Folge gehabt haben, wenn dieses infolge seines Teichreichtums
ihnen eben nicht die Möglichkeit der Ansiedlung an anderen, weniger
gefährdeten Stellen geboten hätte. Die Vögel würden und müßten gänzlich
verschwinden, wenn ähnliche rücksichtslose Nestplünderungen wie sie
1925 in fast ohne weiteres Beispiel dastehender Weise die Koblenzer
Kolonie betroffen haben, auch die übrigen treffen würde. Hoffen wir
daher, daß dieser Fall trotz vieler Ansätze dazu (die Freitelsdorfer
Kolonie z. B. leidet ebenfalls stark unter Eierräubereien durch
Unbefugte) niemals eintreten und daß es uns allmählich gelingen möchte,
die heute eingerissene, aus einem falschen Freiheitsbegriff entstandene
Zügellosigkeit einzudämmen und die Massen wieder zur Achtung der
heimatlichen Landschaft und ihrer hohen Werte zu erziehen!
Aus den Tagen der Kurfürstlichen und Königlich Sächsischen Post, 1770
bis 1865
Unter diesem Titel sind zwölf überaus reizvolle farbige Bilder von dem
im Jahre 1917 verstorbenen Herrn Geh. Postrat Karl Thieme in Dresden
aus Anlaß des Sachsentages im Juli 1914 erstmalig herausgegeben worden.
Den Druck dieser schönen Bilder, deren Originale zum größten Teil von
dem im Jahre 1922 im hochbetagten Alter verstorbenen Hofrat und Kustos
der Gemäldegalerie Gustav Otto Müller stammen, hat die Lehmannsche
Buchdruckerei in Dresden in vorzüglicher Weise ausgeführt[2].
Die jeder Serie beigelegten Erläuterungen machen diese Bilder jedem
Heimatfreund besonders wertvoll.
[Illustration]
Wir bringen hier eine Wiedergabe des zwölften Bildes, das vom genannten
Herausgeber in sinniger Weise mit den Worten »Das Lied ist aus«
bezeichnet ist.
Der weltbekannte, im Jahre 1793 eingerichtete und nach dem Kaiser Franz
I. benannte Kurort Franzensbad, von dessen »Sauerbrunnen bei Eger« wir
seit 1542 einen gedruckten Nachweis besitzen, dessen Bäder aber erst im
17. Jahrhundert benutzt wurden, hatte bis 1865 noch keine Eisenbahn.
Alljährlich strömten viele Hunderte von Patienten den kräftigen Quellen
von Franzensbad zu. Nachdem die letzten Stationen der Sächsischen
und Bayrischen Bahnlinien von den Reisenden verlassen worden waren,
benutzten sie den schnellen Eilpostwagen oder die teure Extrapost,
um ihr Ziel zu erreichen. Die meisten Kurgäste konnten sich diese
Mehrausgabe schon leisten und erfreuten oft genug den schmucken
Postillion, der unterwegs seine besten Stücke blies, mit einem
Extratrinkgeld.
Da gab es bei dem Kaiserlich-Königlichen Postamt zu Franzensbad ein
buntes Gedränge von Österreichischen, Bayrischen und Sächsischen
Postillionen, die in guter Kameradschaft miteinander lebten und sich
gern ein gutes Schöppchen gönnten. Auf unserem Bilde erblicken wir
drei solche brave Ritter vom steifen Stiefel. Ach, in den Becher
ihrer Daseinsfreude fällt ein bitterer Tropfen banger Beklemmung, als
sie den ersten Wagenzug auf der neuen Eisenbahn heranbrausen sehen.
So viele Passagiere schleppt das eiserne Ungetüm heran, so viel
»honorige« Passagiere, die kaum in zwanzig Extrapostkutschen Platz
hätten. Wo bleiben wir armen Postillione? ist wohl ihre sorgenvolle
Frage. Der lebhafte Österreicher fuchtelt grimmig mit den Händen, als
möchte er am liebsten die heimtückische, fauchende Lokomotive von den
Schienen herunterstoßen, der betrübte Sachse vergißt ganz und gar
den tröstlichen Schoppen, den er in der Linken hält. Das treffliche
österreichische Bier kommt ihm heute gallenbitter vor. Am meisten
erregt unsere Teilnahme der brave alte Bayer, der in seinem einfachen
blauen Stallkamisol auf dem Bänkchen vor dem Posthause sitzt. Hätte
er, wie die beiden anderen Kameraden, auch seine Galauniform an, so
könnten wir seine schmucke Erscheinung bewundern, denn die bayrische
Postverwaltung hat in der geschmackvollen Ausstaffierung ihrer
Postillione immer etwas los gehabt.
Unser ergrauter bayrischer »Schwager« schaut auf die gewaltige
Rauchsäule der Lokomotive, indes seiner Pfeife kein Wölkchen mehr
entsteigt. Vielleicht denkt er:
Rauch ist alles ird’sche Wesen!
Wie des Dampfes Säule weht
Schwinden alle Erdengrößen,
– Auch der Postillion vergeht.
Und inzwischen ist der Postillion vergangen.
Wenn auch der Name »Postillion« geblieben, es steckt in diesem
Wortgehäuse doch weiter nichts mehr, als ein uniformierter Rollkutscher
oder ein Kraftwagenführer, der bloß noch Briefe und Pakete zu karren
hat. Mit dem alten Postillionsgeschlecht ist auch das Posthorn
vergangen. Wer weiß denn noch etwas von dem poesievollen Klang des
Posthorns, wenn es von der stillen Landstraße her seine Zaubertöne
über schlafende Dörfer und Städtlein ergoß? Aber in ungezählten
Widmungen ist von Poeten und Musikern den Tagen der Romantik des
Postillions und seines Zauberhörnleins doch ein dauerndes Denkmal
gesetzt worden, und wie das vorstehende Bild, so bleiben auch die
übrigen der zwölf farbigen Bilder ein freundliches Andenken an die Tage
unserer Groß- und Urgroßväter.
Fußnote:
[2] _Anmerkung_: Diese zwölf farbigen Bilder sind soeben in
zweiter Auflage erschienen und in allen Papierläden und
durch Georg Rennert in Dresden-A. 26, Postfach zu haben.
Auch als Geschenk sehr geeignet kostet die Reihe mit zwölf
Bildern nur Mark 1.20 und die Prachtausgabe 3.— Mark.
Die Heimat spricht:
»Der braucht die weite Welt nicht, der in einem bescheidenen Tale
glücklich zu sein versteht. Merke das, Kind!«
»Betrachte denkend und fühlend deine Heimatstadt! Von den niedrigen
Häusern in unebenen Gassen weht der Hauch langer Jahrhunderte. Der
Schauer des Vergänglichen faßt dich an, aber ebenso hörst du wohl die
fröhliche Melodie gewesener Zeiten. Manche Pforte, manch verwittertes
Gemäuer ist ein Erinnerungsmal, das ohne Schrift viel Wundersames
erzählt. Die Geschichte setzt so selbst ihre Grabsteine. – Der
Rathausturm ist ein Wächter, der mit seinem Zyklopenauge groß über die
Stadt schaut. Unbeirrbar und ewig wie die Zeit. Die Blumen aber, die
jetzt die Fenster des Rathauses bunt bekränzen, die werden dir, wenn du
einst in der Ferne weilst, kaum aus dem Sinn kommen.«
»Und was deine Vorfahren vor dir gedacht und geehrt, schmähe es nicht!
Alles Vergangene ist heilig. Worüber du heute achtlos hinweggehst, das
wird dir einst als ein Stück Heimat mahnend heraufsteigen. Unser Geist
führt vorwärts. Aber alles, was da war, gleicht einem alten vergilbten
Blatte, worauf die Träne einer vereinsamten Mutter fiel.«
»Schau dir die Brücke an, die deinen Heimatfluß überwölbt! Was wandert
nicht alles darüber! Der Schritt der Menschen ist bald hart und zornig,
bald fröhlich-beeilt, bald auch grausam-beschwert von einem heimlichen
Leide. – Wer weiß, wie du einmal hinauswandern wirst – über die alte
Brücke deiner Heimat?«
»Draußen, als einen stillen, erhebenden Platz, findest du den
Garten der Kreuze. Kaum ein Friedhof liegt so schön, wie der deiner
Heimatstadt. Wenn du den breiten Weg aufwärts gehst, durch viele
Blumen, die den Gedanken an das Leben wachzuhalten suchen, dann ruht
ein vergessener Hügel vor dir: ein Muttergrab, ein heilig Grab! So
sprach ein Dichter. Ich sehe, wie du dir nach dem Herzen greifst, ich
weiß, welch ernster Schwur sich in deiner Brust losringt, und ich weiß
auch, _wem_ der gilt.«
»Wenn der Mai uns seine ersten Morgen schenkt, und du willst seinen
zarten Duft erhaschen, gehe in den Wald deiner Heimat. Über dir
rauschen die Fichten, weiße Birken stehen verschämt dazwischen, und
die tiefe Feier ringsum! Du empfindest den Rhythmus aller Wesen um
dich, der Pflanzen und der Tiere, du atmest ihn mit, fühlst dich in den
großen Kreis der Schöpfung eingeschlossen als ein bedeutungsvolles,
lebensfrohes Glied. Ist’s nicht, als seien die Bäume deine Brüder und
die lieben Blumen deine Schwestern?«
»Im Frühling klingt’s aus den Bäumen. Es sind der Stimmen unzählige,
die lobsingen. Dir gelingt es vielleicht, an ein Rotkehlchen
heranzukommen, wenn es auf einem knospenden Strauchwerke sitzt. Zwei
Schritte von ihm. Und es singt und jubelt immerfort. Tiefdunkel glänzen
die kleinen Augen, klug und rein, die rote Brust hebt sich hastig
ungezählte Male. Fühlst du, wie froh alle Schöpfung ist? Lerne froh
sein von ihm!«
»Mache das Herz dir frei, mühefrei! Auf den Bergen wehen mit der
reineren Luft bessere Gedanken um dich. – Stelle dich auf einen nahen
Berg, sieh, wie der Sonne versinkender Ball seine letzte Glut das
Heimattal entlangwirft. Und du fühlst auf einmal deinen Heimatfluß als
lebendes Wesen, das wie ein müder Wanderer sich der Sonne nachschleppt.
– Abend, Feierabend. Fern ist ein Kirchlein vom letzten Strahl
beleuchtet, es scheint aus einem Bilderbogen herausgeschnitten. Vor dir
thront ein zerrissener Fels, stolz und breit, wie eine sagenhafte Burg.
Aus einer Buche Geäst weint die Drossel ein Lied. Die Sonne sehnt sich
zurück. Hab’ du auch Sehnsucht zur Sonne!«
»Suche dir, schaffe dir in deiner Heimat einen Lieblingsort. Dort
bettest du dich mit deinen Gedanken vor dem Lärm des Tages und der
Welt. Dort bist du eine stille Weile lang mit dem Geistesleben, das
durch die Natur rauscht, verwachsen. – Lerne auch hier! Das Blühen und
Werden der Natur ist Äußerung der Kraft. Nur wer Kraft entwickelt,
lebt! Nur wer Kraft entwickelt, hat Anspruch an das Leben! Nur wer
Kraft entwickelt, hinterläßt Spuren seiner Persönlichkeit und hat
darum nicht umsonst gerungen! Alle anderen sind Schwächlinge. – Doch
sieh noch einmal das liebe Tal! Drüben die weiten Fichtenwälder.
Ein Streifen dunkler Kiefern läuft zum Tal herunter, so daß es dem
Rückgrat eines ungeheuren Urwelttieres gleicht. Sieh noch einmal um
dich! Ach, vielleicht vergraben sich deine heißen Hände in die frisch
aufgeworfene Erde, du drückst eine feuchte Scholle, die Frische der
Erde durchrieselt deinen Körper, Kraft der Erde durchflutet dich, du
fühlst und erkennst es: Heimat!«
»Wenn du aus der Heimat auch gehst, nimm sie im Herzen mit! Auch die
Heimat ist deine Mutter. Und wer wollte seine Mutter vergessen?«
Emil Vogel.
Gefäßfunde in Ölsnitz i. E.
_J. Hottenroth_, Gersdorf, Bez. Chemnitz
Ende Juni 1925 stieß man im oberen Teile der Stadt Ölsnitz i. E.
beim Abtreiben einer Böschung auf ein sehr umfangreiches Lager
von altertümlichen Tongefäßen und kleinen Glasflaschen. Trotz der
erstaunlich großen Menge der Gefäße kamen eigentlich nur zwei Typen
zum Vorschein, und zwar dickbäuchige Tonflaschen mit dünnem, oben weit
ausladendem Halse und kleiner Standfläche und dann kleine Näpfchen von
eineinhalb bis vier Zentimeter Höhe. Alle Tonwaren waren glasiert und
auf der Drehscheibe hergestellt. Die kleinen Glasfläschchen bestanden
aus einem dünnwandigen, in allen Regenbogenfarben schillernden Glase.
Der Boden war kegelförmig weit nach innen gestülpt.
Der Fund erregte das größte Aufsehen, und an ihn knüpften sich bald
die gewagtesten Vermutungen. Die einen sahen in ihm vorgeschichtliche
Töpferei, die anderen Arzneiflaschen aus irgendeiner Pestzeit. Diese
seien, um die fürchterliche Seuche zu bannen, an der Fundstelle
vergraben worden. Ein besonders phantasiebegabter Erforscher heimischer
Geschichte schrieb allen Ernstes im Heimatblatte, daß die beiliegenden
kleinen Näpfchen slawische Tränenkrüglein seien. Die Wenden hätten noch
keine Taschentücher besessen und hätten infolgedessen bei Trauerfällen
die Näpfchen an die Augen gehalten, um die Tränen aufzusammeln.
[Illustration]
Mir war der Fund zu wichtig, um ihn auf solch kindliche Weise erklären
zu lassen. Er ist doch vor allem dazu angetan, das Dunkel, das noch
über der Keramik verschiedener geschichtlicher Zeiten schwebt, etwas
aufzuhellen.
Es galt deshalb zunächst genau die Zeit festzustellen, in der
die Flaschen und Töpfchen entstanden sein könnten. Daß sie nicht
prähistorisch sind, war ohne weiteres klar. Mir war, als Laien auf
diesem Gebiete, eine unbedingt sichere Datierung nicht möglich, meiner
Schätzung nach mochten die Fundstücke ungefähr dem sechzehnten oder
siebzehnten Jahrhundert angehören. Mit einer unsicheren Schätzung war
mir aber nicht gedient. Ich suchte deshalb zunächst Hilfe im Museum
für Volkskunde in Dresden, dessen keramische Schätze ich eingehend
studierte. Es fanden sich aber keine analogen Stücke darunter, was ja
auch nicht zu verwundern ist, da die volkskundlichen Gegenstände meist
nicht über hundert Jahre alt sind.
Nun sandte ich Belegstücke an Dr. Bierbaum, dem Kustos des
vorgeschichtlichen Museums in Dresden. Dieser schrieb mir: »Die von
Ihnen vorgenommene zeitliche Bestimmung (sechzehntes bez. siebzehntes
Jahrhundert), halte auch ich für richtig. Freilich könnten die Scherben
und Gläser auch noch jünger sein. Für eine genaue Datierung fehlen
leider alle Vergleichsfunde.« Ganz ähnlich äußert sich Dr. Zimmermann,
der erste Direktor des Germanischen Nationalmuseums zu Nürnberg: »Die
uns zugesandten Muster möchten wir nicht vor das siebzehnte Jahrhundert
zurückdatieren.«
Wie sich später herausstellte, haben beide Herren vollständig recht.
Es fragt sich nun, welche Bewandtnis es eigentlich mit den Funden
hat. Zunächst ist doch die Annahme sehr naheliegend, daß am Fundorte
vor Zeiten eine Töpferei gestanden haben könnte. Daß hier nur
zwei bestimmte Gefäßformen vorkommen, steht dieser Ansicht nicht
entgegen. Es gibt ja heute noch Töpfereien, die sich auf ganz
bestimmte Erzeugnisse (Blumentöpfe usw.) einstellen. Im Germanischen
Museum war man der Meinung, es handle sich hier möglicherweise um
das Brüchlingslager einer Krugbäckerei. Wenn das so wäre, so fehlt
immer noch eine Erklärung für das Vorkommen der Tausende von kleinen
Glasflaschen am Fundorte. Es ist doch nicht anzunehmen, daß eine
Töpferei zugleich Glashütte war. Zudem hat sich aus den Ölsnitzer
Kaufbüchern und Akten ergeben, daß dort nie eine Töpferei vorhanden war.
[Illustration]
Die kleinen Näpfchen, die ungemein zahlreich neben den Ton- und
Glasflaschen lagen, brachten mich auf eine andere Lösung des Rätsels.
Diese Näpfe gleichen nämlich vollständig den Töpfen, die Ende
des vorigen Jahrhunderts von den »Königseern« mit Salben gefüllt
feilgeboten wurden. Ich sprach deshalb im »Ölsnitzer Volksboten« die
Vermutung aus, daß an der Fundstelle in früheren Zeiten vielleicht
eine Art Laboratorium für Arzneimittel gestanden haben könnte. Die
hier hergestellten Tinkturen und Essenzen kamen in die Ton- bzw.
Glasflaschen, die Salben in die Näpfe. Mit dieser Annahme wäre ja
auch zwangslos eine Erklärung für die auffälligen Größenunterschiede
der Tonflaschen gegeben. (Vier bis vierundzwanzig Zentimeter Höhe.)
Man sorgte eben für Groß- und Kleinabnehmer. Die Fundstelle wäre dann
ein trefflicher Beleg für die Verse, die Hartmann Schopper 1568 den
Apothekern als Charakteristikum beigegeben hat:
»~Mille tot unguentis, rebusque potentibus auctus,
Pyxides innumeras Pharmacopola gero.~«
Meine Ansicht ist aber mit spöttischem Lächeln aufgenommen und als
ganz unmöglich hingestellt worden. Und doch hat sie sich voll und ganz
bewahrheitet. Kantor Junghannß, der verdienstvolle Erforscher der
Ölsnitzer Geschichte hat aus seiner Chronik von Ölsnitz i. E. folgendes
festgestellt: An der Fundstelle stand früher ein Grünhainisches Gut,
dessen ältester nachweisbarer Besitzer Andreas Preßler hieß. 1696 besaß
es Georg Görner, der es 1723 seinem Sohne Augustin Görner überließ.
Augustin Görner war ein berühmter Kräuterarzt. Er hat in Ölsnitz von
1723 bis 1743 seine Praxis ausgeübt. Zur Verabreichung seiner Tinkturen
und Salben benutzte er Flaschen und Näpfchen, die er vielleicht in
einem besonderen Raume seines Gehöftes aufbewahrte. Die aufgefundenen
Gefäße müssen in den Jahren 1723 bis 1743 entstanden sein. 1854 wurde
das Bauerngut vom Fürst von Waldenburg angekauft und die Gebäude
abgebrochen. Dabei ist wahrscheinlich der Vorratsraum für die Gefäße
verschüttet worden.
[Illustration]
Bestätigt wird diese Feststellung noch durch einen alten Ölsnitzer, der
in seinem Heimatblatte Erinnerungen an das Görnersche, später Junghannß
Gut, veröffentlichte. Seine Großmutter habe ihm erzählt, daß hier vor
alten Zeiten eine Spezerei betrieben worden wäre, in der gute Salben,
Arzneien und Tinkturen für Menschen und Tiere hergestellt und in das
Gebirge überallhin verkauft wurden.
Die Ölsnitzer Gefäßfunde wären hiermit vollständig geklärt. Ihre
Bedeutung geht weit über das örtliche Interesse hinaus. So hat man
z. B. 1910 beim Straßenbau nach der Pappfabrik Steinbach (Blatt 139,
Annaberg) in Abteilung 45 ein den Ölsnitzer Tonflaschen völlig
gleiches Gefäß von zehn Zentimeter Höhe, vierzig Zentimeter tief
unter einem Granitblock aufgefunden. Die Deutung dieses Fundes, die
bisher nicht möglich war, macht nun keine Schwierigkeiten mehr. Es
handelt sich eben um eine Ölsnitzer Arzneiflasche, die aus irgendeinem
Grunde im Walde verborgen und nicht wieder abgeholt worden ist. Es
ist möglich, daß auch schon anderswo solche Funde gemacht wurden oder
noch gemacht werden. Die Ölsnitzer Fundstücke werden auch dann klärend
wirken können.
Wald und Wild
Gewidmet seinem lieben Freunde,
dem guten Jäger Forstmeister i. R. Paul Schneider
von _Bernhard_, Tharandt
Wald und Wild. Schon dem ähnlichen Klange beider Worte nach möchte
man annehmen, daß Wald und Wild zusammengehören. Das Wild ist an den
Wald nicht unbedingt gebunden. Wild ist in den Eiswüsten des hohen
Nordens, in den Steppen von Asien, Afrika und Amerika vorhanden, ist in
den Feldern und im Wasser heimisch. Dagegen ist der Ur- und Naturwald
wohl nicht ohne Wild denkbar. In ihm hält das Raubwild das Wild, das
sich von Pflanzenstoffen nährt, und dadurch bei Überhandnahme dem
Walde schaden könnte, kurz. Es hält aber auch gleichzeitig den Stand
dieses vom menschlichen Gesichtspunkt aus als Nutzwild zu bezeichnenden
Wildes hoch, weil es Auslese trifft, alle schwachen und kranken
Stücke des Nutzwildes vernichtet und nur die besten und schönsten
Stücke zurückläßt, die dank ihrer hervorragenden Eigenschaften in
der Lage sind, sich den Fängen des Raubwildes dauernd zu entziehen.
Anders im Kunstwald, im Forste, im Walde der Gegenwart, im Walde
unserer Gegenden. Seine Gaben muß der Mensch versuchen, sich nutz-
und dienstbar zu machen, das Holz zu gewerblichen Zwecken, das Wild
zur Volksernährung und nicht zuletzt zum menschlichen Vergnügen, zur
Ausübung der Jagd. Das Raubwild im Nutzwalde hält der Mensch kurz,
damit das Nutzwild sich ungehindert vermehren kann, so kurz, daß z. B.
der Heimatschutz in Sachsen zugunsten verschiedener Raubwildarten hat
eingreifen müssen, um sie aus unseren sächsischen Wäldern nicht ganz
verschwinden zu lassen. Ich erinnere nur an den Baummarder, an den
Uhu, an den Hühnerhabicht u. a. Dieser Schutz bekommt dem Nutzwilde
aber nur dann gut, es entartet nur dann nicht, wenn der Jäger, der
das Jagdrevier bejagt, wirklich Weidmann ist, nicht nur Schießer,
sondern auch Heger. Wenn er beim Abschuß Zuchtwahl übt, alle edlen der
Fortpflanzung würdigen Tiere erhält, alle der Fortpflanzung unwürdigen,
schwächlichen und kranken Stücken aber der Kugel verfallen läßt, und
wenn er dafür sorgt, daß dem Wilde auch jederzeit die zur vollkommenen
Entwicklung nötige Äsung geboten wird. Diese Äsung aber immer
rechtzeitig und vollwertig in unserem jetzigen Nutzwald zur Verfügung
zu stellen, ist schwierig. Sehen wir uns unseren Wald in Sachsen an,
meist besteht er aus dicht geschlossenen reinen Nadelholzbeständen.
Der Boden ist bedeckt mit reiner Nadelstreu, kein Sonnenstrahl dringt
zu Boden, kein Gräschen kann fern von der Sonne im dicken Nadelpolster
gedeihen. Aus den Jungbeständen aber, die sich noch nicht geschlossen
haben, in denen Sonne und Regen noch zum Boden können und wo noch
Gras und saftige Kräuter sprießen, wird das Gras als Futter für das
Vieh oder als Einstreu in die Ställe oder der Verdämmung der jungen
Holzpflanzen wegen ausgeschnitten und verkauft, vielfach ohne Rücksicht
darauf, daß mit der dauernden oder wenigstens häufigen Entnahme des
Grases dem Boden Kraft entzogen wird. Auch die Laubhölzer, deren
Blätter, namentlich im jugendlichen Zustande, unser Wild so gern äst,
sind durch unsere Wirtschaft aus unserem Walde verdrängt worden. Ebenso
ist die Mast von Eicheln und Buchen im dichten Stande des Kunstwaldes
geringer, als beim raumen Stande des Naturwaldes. Wo soll da das Wild
in unserem Walde die nötige Äsung hernehmen? Vernichtung des Raubwilds,
Veränderung des natürlichen Zustandes des Waldes fordern, wenn das
Nutzwild erhalten bleiben, gehegt werden soll, unbedingt sachgemäße
Fütterung – neben weidgerechtem Abschuß –, vor allem aber dann, wenn
das Wild, womöglich noch durch ein Gatter um den Wald am Austritt auf
die Felder verhindert wird, sei es zum Schutze für die Felder, sei es
zum Schutze seiner selbst vor den benachbarten Jagdeigentümern. Solche
Fütterung aber kostet Geld, das uns mangelt, und entzieht unserem Volke
außerdem mittelbar oder unmittelbar noch Nahrungsmittel, die wir so
wie so schon zur Befriedigung des Bedarfs teilweise aus dem Auslande
einführen müssen. Mit dem Mangel an Äsung, vor allem mit dem Mangel
an Lieblingsäsung und an Abwechslung bei der Äsung gewöhnt sich das
Wild aber auch Untugenden an, mit denen es dem Walde stark schadet.
Im Kampfe gegen diesen Schaden kommt der Forstmann in Widerstreit
mit dem Jäger. Der Forstmann sucht seinen Wald, der Jäger sein Wild
zu schützen. Der Forstmann ist verpflichtet, aus seinem Walde bei
möglichst sparsamen Aufwand an Kapital und Arbeit in möglichst kurzer
Zeit dauernd möglichst hohe Werte herauszuwirtschaften. Dies Ziel
zu erreichen, hindern ihn die Untugenden des Wildes im Walde, die
sich besonders durch Schälen und Verbeißen der Holzpflanzen äußern.
Das Wild schält dreißig bis vierzig Jahre alte glatte Fichtenstangen
in Reichhöhe seines Geäses und den dritten Trieb von der Spitze
her etwa zehn Jahre alter Kiefernjungwüchse. Die Schälstellen der
Fichten verharzen und überwallen zwar wieder und der Baum selbst
bleibt erhalten, aber er wird im Innern faul und im Ganzen wertlos,
mindestens wird sein Wert stark vermindert. Bei den Kiefern stirbt der
Baumteil oberhalb des geschälten Triebes meist ab und die Kiefer muß
durch Aufrichten eines Seitentriebes einen neuen Schaft bilden, der
natürlich nie so grade wie der ursprüngliche Schaft wird, sondern an
der Abzweigung vom ursprünglichen Stamme stets eine Krümmung aufweist.
Durch diese Krümmung wird der Stamm entwertet. Durch Verbeißen werden
die jungen Pflanzen zum Teil ganz vernichtet, zum Teil so stark an
der Bildung eines guten Schaftes behindert, daß ihre Entwicklung
erheblich verzögert und ihre Erzeugung von Nutzholz wesentlich
beeinträchtigt werden. Als Mittel zur Bekämpfung dieser Schäden am
Walde durch das Wild stehen dem Forstmann zur Verfügung: Schutz der
einzelnen Pflanzen durch Verwittern mit übelriechenden Klebmitteln
und Umstecken mit Reisig oder Einzäunen der jungen Bestände, um das
Wild am Zutritt zu den zu schützenden Waldteilen überhaupt zu hindern.
Letztere Maßnahme beschränkt die Äsungsmöglichkeit des Wildes stark.
All diese Maßnahmen kosten auch viel Geld. An Geld aber mangelt es uns
jetzt in Deutschland. Wenn der Forstmann kein Geld aufwenden darf,
für Mittel zum Schutze seines Waldes vor Schäden durch das Wild, wenn
er keine Mittel bewilligt erhält, sein Wild im Kunstwalde reichlich
und gut zu füttern, so bleibt ihm nichts anderes zu tun übrig, als
die Zahl des Wildes in seinem Walde so weit zu _beschränken_, daß
die in seinem Walde vorhandene spärliche Äsung zur Ernährung seines
Wildstandes völlig ausreicht und der Schaden, den das Wild dem Walde
zufügt, nicht mehr so stark wie bisher in die Augen fällt. Diese
Maßnahmen sind um so nötiger zu einer Zeit, in der die Forstleute, wie
gegenwärtig in Sachsen, bestrebt sind, dem reinen Nadelwalde wieder
Laubholz einzufügen und in der jede junge Laubholzpflanze aber vom
Wilde – vom Hasen bis zum Hirsch – als willkommene Abwechslung in der
einförmigen Äsung des eintönigen Kulturwaldes betrachtet und vernichtet
wird. So entsteht in unserer armen und dadurch nüchternen Zeit die
Frage, wird der Schaden, den das Wild dem Kulturwald zufügt und der
in Sachsen sich nach Millionen beziffert, aufgewogen durch die Rente,
die die Jagd abwirft. Und hier setzt der Heimatschutz ein, mit der
Antwort, bei der Verdrängung des Wildes aus dem Walde handelt es sich
nicht nur um materielle, sondern auch um ideelle Güter; denn das Wild
belebt den Wald, sein Anblick im Walde fördert das Waldbild und jede
Verschönerung des Waldbildes wirkt erhebend auf das menschliche Gemüt.
Die Hebung des Waldbildes durch Wild ist nur möglich, wenn es sich
wirklich um »Wild«, um freies, edles, in Form und Bewegung schönes Wild
handelt. Wild im Gatter, im Tierpark, überhegtes Wild, das auf Äsung
aus Menschenhand wartet, ist kein Wild mehr, dessen Schutz sich der
Landesverein Sächsischer Heimatschutz zum Ziel setzen darf und kann.
Nicht jedem laut daherpolternden, singenden Wandervogel muß es vergönnt
sein, draußen im Walde »viel Wild« zu sehen und womöglich gar ein
Rehkitz in der Wiese zu finden, und anstatt es ruhig an seinem Platze
zu belassen, es zum nächsten Forsthause zu tragen. Nein, nur der echte
und wahre Naturfreund, der mit heiligem Schauer das Leben der Natur
betrachtet, soll auf seinen stillen Morgen- und Abendgängen hier und
da ein stolzes Stück Wild in freier Wildbahn über den Weg ziehen oder
auf der Waldwiese am Bestandsrande äsen und den Kopf zur Sicherung
aufwerfen sehen. Und so deckt sich auch meiner Ansicht nach das Ziel
des Heimatschutzes gegenwärtig mit dem Ziel des Forstmanns und Jägers
in unserem Kunstwalde: kräftiges, gesundes und edles Wild in _der_
Zahl bis zu besseren Zeiten durchzuhalten, in der es unser Wald auch
wirklich ernähren kann. Nur der wirkliche Naturfreund, nur der echte
Heimatschutzmann werden von diesem Wild aber hier und da noch ein
Stück zu Gesicht bekommen und sich an seiner Schönheit erfreuen, ebenso
wie es der Weidmann tut, dem es darauf ankommt, nicht zu schießen,
sondern sich mit den Gewohnheiten seines Wildes so vertraut zu machen
und sich selbst so zu beherrschen, daß er trotz Unterlegenheit an
Sehkraft und Gehör und trotz des Mangels des beim Wilde so stark
ausgeprägten Geruchsinns stets der Überlegene bleibt. Die Freude am
jagdlichen Erfolge steigt beim Jäger mit der Schwierigkeit, den Erfolg
zu erringen. Auch beim Naturfreund wird sich die Freude, »Wild« zu
Gesicht zu bekommen, mit der Seltenheit und Schönheit des Anblickes nur
erhöhen.
Schloß Augustusburg als Reichsdenkmal für unsere im Weltkrieg Gefallenen
Von _Otto Eduard Schmidt_
Aufnahmen des Heimatschutzes
Der Gedanke, der Gesamtheit unserer im Weltkrieg Gefallenen unter
Beteiligung des ganzen Volkes von Reichs wegen ein würdiges Denkmal
zu weihen, lebt immer von neuem auf und ist trotz des für uns
ungünstigen Ausganges des Krieges unabweisbar. Denn in welcher anderen
Zeit hätte wohl das deutsche Volk, in Sonderheit seine Frontkämpfer,
ein größeres, ergreifenderes und wirkungsvolleres Heldentum an den
Tag gelegt? Aber unser Schicksal und unsere Lage ist derart, daß
sie uns nicht zu einem stolzen und prunkvollen Neubau hindrängt.
Aus dieser Empfindung heraus ist der Plan entstanden, eine unserer
altberühmten Burgen zum Reichsdenkmal der Gefallenen zu weihen. Zu
den Burgen und Schlössern, die dafür in Betracht kommen, ja sogar zu
einer schon getroffenen engeren Auswahl unter denselben gehört auch
unsere sächsische Augustusburg, und ein durch seine Vaterlands- und
Heimatsliebe wohlbekannter Mann, Geheimrat Meinel auf Tannenbergstal
in Sachsen, hat soeben in einer an den Reichsminister des Innern
gerichteten Eingabe diesen Plan mit warmen Worten empfohlen. So wird
er binnen kurzem die Öffentlichkeit beschäftigen. Deshalb hat mich
der Vorstand des Landesvereins Sächsischer Heimatschutz ersucht, in
den »Mitteilungen« von den mir naheliegenden landeskundlichen und
geschichtlichen Gesichtspunkten aus über das genannte Schloß und die
darauf sich erstreckenden Pläne zu berichten.
[Illustration: Abb. 1. =Vorhof der Augustusburg mit der Auffahrt=]
[Illustration: Abb. 2. =Die Augustusburg mit dem inneren Tor=]
Die Augustusburg, 1568 bis 1572 erbaut, ist die Nachfolgerin der
mittelalterlichen Burg Schellenberg. Diese lag, ebenso wie das
heutige Schloß, auf der gewaltigen, rechts von der Zschopau, links
von der Flöha umspülten Porphyrplatte, die wie ein gewaltiger Eckturm
den Nordrand des eigentlichen Erzgebirges und zugleich den Punkt
bezeichnet, in dem sich das westliche von dem östlichen Gebirge
scheidet. Das Flöhatal gilt als die Grenze der beiden Gebiete. Diese
Porphyrplatte schiebt sich von Öderan (d. h. »Ort bei den Edern« =
Zäunen, Grenzen) südwärts in den ungeheuren Grenzwald vor, der in alter
Zeit als ein unbewohntes Puffergebiet zwischen der Mark Meißen und dem
Herzogtum Böhmen lag. Dieser Grenzwald war kaiserlich, ebenso der hier
hindurchführende Paß von Öderan über Zöblitz und Sebastiansberg nach
Komotau oder von Chemnitz über Zschopau-Wolkenstein nach Preßnitz und
ins Egertal. Der Eingang zu beiden Straßen, die zu den wichtigsten
Verbindungsgliedern zwischen Nord- und Süddeutschland gehörten, wurde
von der Burg Schellenberg beherrscht. Deshalb waren die ritterlichen
Herren von Schellenberg, denen auch die Burgen Rauenstein an der Flöha
und Lauterstein bei Zöblitz als südlich vorgeschobene Posten gehörten,
nicht Vasallen der Meißner Markgrafen, sondern standen als edelfreie
Ritter unmittelbar unter dem Kaiser. Erst als die kaiserliche Gewalt
zertrümmert und das reichsunmittelbare Geschlecht der Schellenberg
wegen eines Frevels, den es gegen das Kloster Altzella verübt hatte,
geächtet war (1323), kam der wichtige Porphyrfelsen mit seiner Burg
in den Besitz der Wettiner (5. April 1324), und nach der Leipziger
Teilung (1485) in den Besitz der Albertinischen Herzöge von Sachsen.
In der Zeit, wo sich der Schmalkaldische Krieg vorbereitete, hat
sich in der Burg Schellenberg eine denkwürdige Szene zugetragen.
Der Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen, in Sorge um die Zukunft
seines vom Kaiser Karl V. mit Ächtung bedrohten Hauses, besuchte
dort im Jahre 1545 zur Zeit der Hirschbrunft seinen Vetter Herzog
Moritz und suchte im Vertrauen auf seine eigene Trunkfestigkeit dem
in diesem Punkte schwächeren Moritz beim nächtlichen Gelage seine
politischen Geheimnisse zu entlocken. Aber Moritz verriet sich
nicht, nur wäre er bei der Heimreise nach Dresden an den Folgen des
schweren Trunks fast gestorben. In der Tat wurde das Jahr 1547 das
Schicksalsjahr der Ernestiner: sie verloren den größten Teil ihrer
Länder an die Albertiner, aber es wurde auch das Schicksalsjahr der
Burg Schellenberg: sie brannte im Jahre 1547 durch Blitzschlag ab.
Zwanzig Jahre lang lag nun die Burg in Schutt und Asche. Da faßte
Kurfürst August im April 1567 voll Siegesfreude über die Eroberung
der Feste Grimmenstein zu Gotha den Plan, »weil solches des Hauses
Sachsen ältesten Schlösser eines, aus erforderter Notdurft, auch _zur
Zierde des Landes_ alle solches Schlosses alte Gebäude abtragen zu
lassen und zu verordnen, daß an der Stelle ein neues Schloß gebaut
werde.« Er gewann dafür als Baumeister den Leipziger Bürgermeister
Hieronymus Lotter, der elf Jahre zuvor mit unerhörter Geschwindigkeit
den reizvollen Hallen- und Giebelbau des Leipziger Rathauses geschaffen
hatte, und dieser an der Schwelle der Siebzig stehende Mann brachte
wirklich in vierjährigem, heißem Bemühen den umfangreichen Schloßbau
zustande (1568 bis 1572), die letzte Vollendung aber wurde, weil Lotter
unverdientermaßen bei dem ungeduldigen Bauherrn in Ungnade gefallen
war, dem italienischen Grafen Rochus zu Lynar anvertraut. Außer der
Vorburg mit dem gewaltigen äußeren und inneren Tor und der hochgelegten
steinernen Auffahrt zeigte das Schloß vier wuchtige, breit dastehende
Ecktürme, die durch meist dreistöckige Flügel untereinander zu einem
großen Rechtecke verbunden sind. Sie enthielten in reicher Fülle die
Säle und Gemächer für einen groß zugeschnittenen fürstlichen
Hofhalt. Der Außenbau ist in schlichten, aber markigen Formen gehalten,
die Innenräume waren vom Hofmaler Heinrich Göding nach den Angaben des
Kurfürsten mit sinnvoller Malerei ausgeschmückt von teils lehrhafter,
teils humorvoll-satirischer Art. So war in der »Turteltaubenstube«,
wo sich die Hoffräuleins aufzuhalten pflegten, die Kurfürstin Anna
über der Tür gemalt, wie sie mit strengem Blick darüber wacht, daß ja
nichts Anstößiges geschieht, und neben ihr stand ein Fräulein, das den
Pferdefuß, der als Strafe für Verstöße gegen den Anstand verwendet
wurde, auf der Schulter trug. Weit berühmt waren die Bilder des
»Hasenhauses«, in denen Göding, den Schlußgedanken des »Mümmelmann«
von Hermann Löns vorwegnehmend, die Hasen als die eigentlichen
Herren der Erde in der Ausübung aller menschlichen Geschäfte, auch
als Staatsmänner und Kriegsleute dargestellt hatte, doch so, daß sie
zuletzt wieder den Menschen unterliegen und wie einst in Pfannen und an
Bratspießen ihr unrühmliches Ende finden.
[Illustration: Abb. 3. =Das innere Tor der Augustusburg=]
[Illustration: Abb. 4. =Der Kirchenflügel der Augustusburg=]
[Illustration: Abb. 5. =Schmalseite der Kirche mit der Kanzel und einem
Teil der Decke=]
Ganz eigenartig ist die von dem Niederländer Erhard van der Meer
geschaffene Schloßkirche. Sie entspricht als rechteckige Saalkirche
durchaus den Anforderungen einer Predigtkirche. Über dem Schiff erheben
sich die unten von steinernen Bögen und toskanischen Säulen, oben von
jonischen Säulen getragenen Emporen, die von einer Decke überwölbt
werden, bei der das gotische Rippenwerk durch ein der Kassettendecke
sich näherndes System aus rotem Rochlitzer Stein ersetzt ist. Das
Altarbild, ein Werk des jüngeren Cranach, zeigt unter dem Gekreuzigten
den Kurfürsten mit acht Söhnen und die Kurfürstin mit sechs Töchtern.
Es ist zugleich ein Totenmal: denn nur zwei von den Söhnen sind durch
Medaillen an der Halskette und nur zwei von den Töchtern sind durch
Kränze als noch lebend bezeichnet. Im Hintergrunde des Bildes sehen
wir rechts die ehemalige Burg Schellenberg und links die Annaburg (in
der jetzigen preußischen Provinz Sachsen). Kurfürst August war bei
manchen Bedenken, die man gegen seinen Charakter erheben darf, ein
ausgezeichneter Organisator der Volkswirtschaft und vor allem ein
großer Lebenskünstler. Als Lotter wegen der starken Wirkung von Wind
und Wetter auf der ganz frei gelegenen Höhe die Maße für die Fenster
des Schlosses etwas klein genommen hatte, befahl ihm der Kurfürst in
einem Briefe, sie größer zu machen, weil »in gewelben, tie (die) nicht
genugksamb Wetter und Licht haben, ganz verdrießlich und langweilig
zu wohnen« sei. Deshalb hatte der Kurfürst auch, die Gunst der Lage
benutzend, angeordnet, daß der ganze Bau in der Höhe des dritten
Stockes von einer breiten Galerie umzogen werde, die nach allen
Himmelsgegenden hin freie Aussicht gestatte. Von dieser Galerie zeigte
er im Jahre 1575 das vollendete Werk dem ihm gesinnungsverwandten
Kaiser Maximilian II. und genoß mit ihm die herrliche Aussicht
namentlich nach Süden in die wildreichen Bach- und Flußtäler und
hinüber bis zur Kammlinie des Erzgebirges, die das entzückte Auge
hier vom Keilberg im Westen bis zum Geising im Osten beherrscht. Von
besonderen Merkwürdigkeiten erwähne ich noch die uralte sieben Meter im
Umfang haltende, aber nur zwei Meter dreißig Zentimeter hohe Linde,
die mit der Krone in die Erde gepflanzt sein soll und sich so breit
verästelt, daß sie von einem Balkengerüst gestützt wird, und den vom
Freiberger Bergmeister Martin Planer in siebenjähriger Arbeit fast
durch den ganzen Porphyrmantel des Berges einhundertundsiebzig Meter
tief gesprengten Brunnen, für dessen Betrieb ein besonderes Göpelwerk
vorhanden war.
[Illustration: Abb. 6. =Kanzel und Altar der Kirche in Schloß
Augustusburg=]
[Illustration: Abb. 7. =Ein Saal des Hasenhauses in der Augustusburg=]
Leider ist von der ursprünglichen Schönheit der Augustusburg im
Laufe der Jahrhunderte durch widrige Schicksale und Vernachlässigung
viel abgebröckelt. Die Malerei ist an den meisten Stellen verblaßt,
die aussichtsreichen Galerien und die sie überragenden Giebel und
Dachgeschosse sind 1798 wegen Baufälligkeit abgebrochen worden. Dagegen
ist die Kirche, abgesehen von einem, die alte feine Farbenstimmung
störenden inneren Anstrich, völlig unversehrt erhalten, ebenso das
gewaltige Mauerwerk der Türme und des ersten und zweiten Stockwerkes,
auch ist das Schloß noch jetzt in allen Teilen bewohnbar. Einige Räume
sind dem Erzgebirgs-Verkehrs-Museum zugewiesen, andere sind von Beamten
und Behörden eingenommen, andere stehen leer, im Erdgeschoß herrscht
ein lebhafter Gastwirtschaftsbetrieb. Denn Schloß Augustusburg ist
schon jetzt zu allen Jahreszeiten das Ziel von Tausenden von Wanderern,
die aus der näheren und weiteren Umgebung dort zusammenströmen.
[Illustration: Abb. 8. =Blick von der Augustusburg in das Flöhatal=]
[Illustration: Abb. 9. =Blick nach Augustusburg auf dem Wege von
Öderan=]
Aber – und nun kommen wir zur Hauptfrage – ist es denn geeignet, eine
würdige Erinnerungsstätte an unsere Toten aus dem Weltkriege zu werden?
Ich kann diese Frage nur bejahen. Denn hier vereinigen sich alle
Erfordernisse der Natur und Lage, der Geschichte und Kunst zu einer
nur an wenigen Punkten in gleichem Maße wiederkehrenden Harmonie. Die
riesige Porphyrplatte (zweihundertundzwanzig Meter über die Umgebung
emporragend) ist auch ohne das darauf ruhende Schloß ein bedeutendes
Denkmal der Natur, eine Art von natürlichen Aussichtssöller für das
Mittelstück des deutschen Mittelgebirges, und die darauf errichtete
Burg war gleich von Anfang an ein Stück steingewordener Fürsorge
der lebendigen Reichsgewalt, eine Warte des nord- und süddeutschen
Verkehrs in der großen Zeit der Kreuz- und Römerzüge und dann eine
weithinleuchtende Stätte landesfürstlicher Wirtschaftlichkeit. Aber
auch ohne alle diese geschichtlichen Erinnerungen eignet sich Schloß
Augustusburg zum Reichsdenkmal der Gefallenen durch die ganze würdige
und großzügige Art des Bauwerks, durch seine schöne Lage und leichte
Erreichbarkeit. Hier brauchen nicht ungezählte Millionen in einen
ungewissen Baugrund versenkt zu werden: das Schloß thront auf seinem
Porphyrfelsen wie ein Bau für die Ewigkeit, das vorhandene Mauerwerk
ist stark und tragfähig. Es kommt nur darauf an, das Schloß in seiner
ursprünglichen Höhe wieder herzustellen, d. h. das abgebrochene dritte
Stockwerk, von dem es gut beglaubigte Abbildungen gibt, in seiner
alten Höhe und Schönheit wieder aufzubauen und mit der nach allen
Himmelsrichtungen ausschauenden Galerie zu umziehen. Diese bietet dann
Raum, daß an Sonn- und Festtagen Hunderte von Menschen gleichzeitig
den entzückenden Ausblick in die nahen Wald- und Flußtäler, über
die reich angebaute Landschaft, die deutschen Ackerbau und deutsche
Industrie vermählt, und hinüber auf die stille Kammlinie des Gebirges
genießen und dabei an ihre gefallenen Lieben und an die Zukunft
des deutschen Volkes denken können. Alle Wohnungen, Amtszimmer
und der Gastwirtschaftsbetrieb müßten natürlich aus dem Schlosse
verschwinden; dann würden seine Säle und Zimmer dazu ausreichen,
für die Toten jeden Armeekorps und jedes Geschwaders unserer Marine
einen besonderen Erinnerungsraum zu schaffen! Die Kirche wird der
natürliche Ort werden für Gedenkfeiern der Vereinigungen ehemaliger
Frontkämpfer; ein gewaltiger Felsblock im Hofe oder im Schloßgarten
würde die lapidare Weiheinschrift für das Ganze enthalten. Die ganze
Umgebung des Schlosses müßte durch Haine mit deutschen Laub- und
Nadelbäumen und Zypressen auf die im Schlosse herrschende Stimmung
vorbereiten, ebenso die aus der Ebene und aus den Waldtälern zum
Schlosse führenden Wege und Straßen. Und wie leicht ist dieses in
der Mitte Sachsens, im innersten Herzen des Reiches gelegene Denkmal
auch von den Rändern der deutschen Erde zu erreichen! Es ist schon
jetzt mit der großen Verkehrslinie München–Hof–Dresden–Breslau von der
Station Flöha aus durch die Zschopautalbahn und eine Drahtseilbahn
verbunden. So führt also die Linie Hof–Chemnitz den süddeutschen, die
Linie Leipzig–Chemnitz den westdeutschen, die Linie Berlin–Chemnitz den
nord- und nordostdeutschen, die Linie Breslau–Dresden den ostdeutschen
Verkehr heran, und bei ganz großen nationalen Feiern gestattet die
Nähe der Großstädte Dresden, Leipzig und Chemnitz, auch sehr große
Volksmassen unterzubringen. Schon jetzt sieht jeder, der von Hof oder
Zwickau nach Dresden und Breslau fährt, die eigenartige Umrißlinie des
Schlosses Augustusburg am Horizont auftauchen und wieder verschwinden
und wieder auftauchen. Um wieviel mehr wird das der Fall sein, wenn der
Bau in seiner alten Höhe wieder hergestellt ist und wenn seine ganz
besondere Bestimmung und Weihe die Blicke aller Mitreisenden in ganz
anderem Maße und mit viel tieferer innerer Teilnahme darauf hinlenken.
[Illustration: Abb. 10. =Blick auf Erdmannsdorf und die darüberliegende
Augustusburg=]
Großsedlitz einst und jetzt
Von Dr.-Ing. _Hugo Koch_, Nerchau-Leipzig
Aufnahmen von Walther Möbius, Dresden
Großsedlitz, einst das schönste und charaktervollste Gartenkunstwerk
der Zeit Augusts des Starken, ist heute ein vergessenes Paradies,
der Gefahr des Verfalles preisgegeben. Nur schneller Eingriff und
gründliche Arbeit vermag das Gartenkunstwerk lebendig zu erhalten,
das zu den schönsten Werken der Barockzeit zählt und zweifellos in
der Kunstgeschichte des Gartens eine bedeutende Stellung einnimmt.
Möchte die kurze Besprechung dieses seltenen Gartenbauwerkes die
verantwortlichen Stellen auf seine Bedeutung aufmerksam machen und die
daraus sich ergebende Verpflichtung zur Erhaltung dieses Kunstbesitzes
wecken.
[Illustration: Abb. 1. =Großsedlitz. Erster Entwurf für den Garten=
Aus Hugo Koch: »Sächsische Gartenkunst«]
Mit August dem Starken war für Sachsen eine Zeit größter fürstlicher
Prachtentfaltung gekommen. Sie blieb nicht stecken in vergänglichen
Hoffesten und Prunkschaustellungen, sondern zeitigte durch prächtige
Schöpfungen der Architektur und Gartenkunst dauernde Kunstwerte,
denen heute noch Dresden, die fürstliche Residenz, ihre Bedeutung
verdankt. Der König ging als erster Bauherr voran, ihm folgten im
Wettstreit seine Getreuen, als einer der bedeutendsten unter ihnen Graf
Wackerbarth, – der Begründer von Großsedlitz.
[Illustration: Abb. 2. =Großsedlitz. Zweiter Entwurf für den Garten=
Aus Hugo Koch: »Sächsische Gartenkunst«]
In der Geschichte des sächsischen Gartens hat sein Name einen
guten Klang, gehen doch neben Großsedlitz noch andere beachtliche
Gartenkunstwerke – Wackerbarths Ruhe in der Lößnitz und die großzügige
Gartenplanung am Schlosse zu Zabeltitz – auf seine Initiative zurück.
Sein bevorzugter Architekt war Knöfel. Johann Christoph Knöfel, oder
Knöffel, wurde 1686 zu Dresden geboren – 1722 wurde er Landbaumeister
– 1728 Oberlandbaumeister. Im Schaffen Augusts des Starken tritt
er noch wenig hervor. Unter August II. arbeitete er viel für den
allmächtigen Minister des Königs, Brühl. Der Brühlsche Garten zu
Dresden, die große Gartenanlage zu Pforthen gehen auf ihn zurück. Er
war noch verhältnismäßig jung an Jahren, als ihn Wackerbarth mit der
Großsedlitzer Planung betraute. Wenn wir dies nur vermuten und über
die Künstler, die in Großsedlitz tätig waren, nur wenig Bestimmtes
wissen, so liegt es daran, daß die einzigen Zeugen, die Entwürfe,
Zeichnungen und Rechnungen bei dem Brand seines Wohnhauses, des
Gouvernementsgebäudes zu Dresden am 19. Januar 1728 verloren gingen.
[Illustration: Abb. 3. =Großsedlitz. Dritter Entwurf für den Garten,
der etwa der ausgeführten Anlage entspricht=
Aus Hugo Koch: »Sächsische Gartenkunst«]
Großsedlitz, in Verbindung mit dem kaum eine Viertelstunde nordwestlich
gelegenen Dorfe Kleinsedlitz, war ehedem ein schriftsässiges Rittergut.
Eine große Feuersbrunst am 23. August 1715 (vgl. »Geschichte des
Königlichen Schlosses und Gartens und Erklärung der Statuen des
Parkes« von G. A. Abendroth. Zweite Auflage 1881) mag die Veranlassung
gegeben haben, daß Heinrich Gottlob von Wolffersdorff am 21. Juli
1719 das Rittergut Groß- und Kleinsedlitz für zwanzigtausend Gulden
an den Grafen von Wackerbarth verkaufte. Nun begann ein umfassendes
Planen und eine rege Bautätigkeit. Bereits am 29. September 1719 wurde
vier Einwohnern zu Kleinsedlitz durch den Beauftragten des Grafen,
den Oberkommissarius Hofrat Matthäus Gärtner, eröffnet, »daß Se.
Exzellenz auf’m Erlichtberge sich ein Gebäude aufzuführen Willens sei,
wozu er ihre daselbst gelegenen dreieinviertel Acker zweiundzwanzig
Ruthen nötig habe«. Gleichzeitig wurde die Planung von Großsedlitz in
Angriff genommen, denn am 6. Oktober 1719 meldete der Hofrat Gärtner
dem Gerichtsverwalter Barth, »daß er Dienstag, den 11. Oktober, früh
in Großsedlitz eintreffen werde, um denen, so zu dem zu erbauenden
Palais Land abgetreten, dafür Felder auf dem Kleinsedlitzer Berge
abzustecken und mit Pflöcken zu berammen«. Beide Planungen für Klein-
und Großsedlitz standen miteinander in Beziehung. Wie immer das
Bestreben jener Tage dahin ging, die ganze Umgebung in die Komposition
einzubeziehen, war das auf dem Erlichtberge in Kleinsedlitz geplante
Schloß mit Garten, Terrassen und reichen Kaskadenanlagen, für welche
das abschüssige Gelände nach dem Elbtale zu sehr glücklich benutzt
werden sollte, ausersehen, mit der Planung für Großsedlitz auch den
Blick auf Dresden und das westliche Elbtal zu erschließen. Die beiden
großen Anlagen sollten durch zwei Lindenalleen verbunden werden. Durch
Aufgabe des Projektes auf dem Erlichtberge kam hiervon nur ein Teil zur
Ausführung. Alle Mittel wurden auf die Großsedlitzer Anlage verwandt.
[Illustration: Abb. 4. =Großsedlitz. Blick vom Eingang auf das alte
Orangeriegebäude=]
Wir sind von der Planung unterrichtet durch den Entwurf, der sich in
der Kartensammlung der Staatsbibliothek in Dresden erhalten hat mit
der Bezeichnung: »~Projet du Château et Jardin de Sedlitz près de la
ville de Dresde au Comte de Wackerbarth~,« ohne Namen des Verfertigers
(Abbildung 1). Er dürfte auf Knöfel zurückzuführen sein.
[Illustration: Abb. 5. =Großsedlitz. Rückfront des alten
Orangeriegebäudes=]
Der Schöpfer der Planung machte sich eine Taleinsenkung des Geländes
in geistreicher Weise zunutze. Das Schloß mit zwei weit vorspringenden
Flügelbauten und die zu beiden Seiten im stumpfen Winkel symmetrisch
sich anfügenden Orangeriegebäude bilden als beherrschende Baugruppe
den Zielpunkt der Anlage. In den Achsen der drei Gebäude führen
Terrassen und reiche Wasseranlagen zur Taleinsenkung hinab, während
das ansteigende Gelände gegenüber als Waldstatt, durchschnitten
von Schneisen, ausgebildet ist. An diesen beherrschenden
Mitteltrakt schließt rechts und links je eine weitere Anlage an.
Wirtschaftsgebäude, Orangerie und Pavillonbauten dienen als Dominanten
der dem Gelände wiederum gut angepaßten Gartenanlagen. Auch hier setzen
weit in die Landschaft fortgeführte Alleen das Schloß mit der weiteren
Umgebung in Beziehung.
[Illustration: Abb. 6. =Großsedlitz. Aufgang zur Eingangsterrasse=]
Schloß und Orangeriegebäude kamen zuerst zur Ausführung. Doch
schon im Januar 1723 ging das Besitztum an den König über mit der
Bestimmung, daß Graf Wackerbarth über den eingetretenen Besitzwechsel
Stillschweigen zu beobachten und die Vollendung der gesamten Anlage
in seinem eigenen Namen, aber nach Angaben und auf Kosten des Königs,
auszuführen hatte. Die Geheimhaltung des Kaufes dauerte bis 1726, in
welchem Jahre die öffentliche Übergabe an den König erfolgte. In jene
vier Jahre fällt die Herstellung der Gartenanlagen, wie diese in ihrer
Grundform noch heute erhalten sind.
[Illustration: Abb. 7. =Großsedlitz. Blick vom »Aha« nach dem Schloß=]
Was tat nun der König? Ihm konnte bei seinen königlichen Bedürfnissen
das von Wackerbarth erbaute bescheidene Schlößchen nicht genügen. Er
erkannte wohl auch mit seinem sicheren, künstlerischen Blick, daß das
Schloß in seiner Anlage wenig glücklich in den Raum komponiert war, daß
es bei seinen bescheidenen Abmessungen, es bestand nur aus Erdgeschoß
und einem Stockwerk, nicht vermochte, der weitausgedehnten Anlage den
beherrschenden Mittelpunkt zu geben. So ging er ans Um- und Neuplanen,
und es ist naheliegend, daß er dazu die Künstler heranzog, mit denen
er seine sonstigen Baupläne durchführte. – Pöppelmann, den bewährten
Zwingerbaumeister und Zacharias Longuelune. Letzterer war 1664 in Paris
geboren und herangebildet, gehörte zu dem Kreis von Künstlern, welcher
sich am Hofe König Friedrichs I. von Preußen versammelt hatte und trat
nach des Königs Tod 1703 in sächsische Dienste. Mit Longuelune fand
in Sachsens Gartenkunst der großzügige Stil Lenôtres, des berühmten
Schöpfers der Versailler Gartenanlagen, Eingang, und man darf wohl mit
Sicherheit annehmen, daß ihm der Hauptanteil an der nunmehr vom König
zur Durchführung gebrachten Großsedlitzer Gartenschöpfung gebührt,
während Einzelteile der architektonisch-plastischen Arbeiten auf die
Meisterhand Pöppelmanns zurückzuführen sind. Auch urkundlich ist
bestätigt, daß Pöppelmann bei der Sedlitzer Planung tätig gewesen ist.
[Illustration: Abb. 8. =Großsedlitz. Das neue Orangeriegebäude mit
anschließendem Orangerieparterre=]
Nachdem der König es aufgegeben hatte, die Zwingeranlagen zu vollenden,
wendete er sich mit großem Eifer der Sedlitzer Anlage zu. In der
Sammlung für Baukunst an der Technischen Hochschule in Dresden und
anderen Sammelstätten finden sich noch heute eine Reihe von Plänen,
die des Königs korrigierenden Stift zeigen. Was letzten Endes das Ziel
seiner Pläne war, zeigt ein Originalplan im ehemaligen Königlichen
Oberhofmarschallamt in Dresden. (Abbildung 2.)
[Illustration: Abb. 9. =Großsedlitz. Seitlicher Blick auf das
Orangerieparterre=]
Das Schloß wird ganz ausgeschieden aus der Planung, die Hauptachse der
Gartenanlage auf das von Knöfel erbaute Orangeriehaus verlegt und an
dessen Stelle ein großer Schloßbau geplant. Diese Achse wird im Garten
zur beherrschenden erhoben durch reiche Kaskadenanlagen, die sich die
Taleinsenkung des Geländes zunutze machen. Zu beiden Seiten sollte in
der Tiefe, symmetrisch zur Hauptachse, je ein Orangerieparterre mit
Orangeriehaus liegen, von denen nur das linke zur Ausführung kam. In
ihrer Mittelachse führen aufsteigende heckenbegrenzte Wege zu einem
quadratischen Platze, der, dem Schloß gegenüberliegend, als Abschluß
der den Wald durchschneidenden Kaskade geplant war. In seiner Mitte
liegt ein großes Wasserbecken. Ein Parterre von achteckiger Form, mit
Pavillonbauten an den Eckpunkten, umschließt es. Eine lange Allee
in der Achse des Schlosses führt den Blick in die weite Landschaft,
und weitere zwei- und vierreihige Alleen stellen die Verbindung mit
der übrigen Gartenplanung her; denn seitlich der Orangerieparterre
schließen weitere Anlagen an, die als Waldstätten durchgebildet sind
und im Geiste der Zeit Stätten gesellschaftlichen Lebens, Stätten des
Spiels, lauschige Plätze und ruhige Wasserbecken bergen.
[Illustration: Abb. 10. =Großsedlitz. Aufgang am Orangerieparterre,
genannt »Die stille Musik«=]
Damit war eine Planung geschaffen, die durchaus den Anforderungen eines
glänzenden Hofes in einer prachtliebenden Zeit entsprach. In ihrem
architektonischen Aufbau wie in der Einzeldurchbildung stellt sie ein
Meisterwerk dar, dessen einzigartige Wirkung wir uns wohl vorzustellen
vermögen, wenn wir die auf uns überkommene Anlage im Geiste
entsprechend ergänzen. Denn leider reichten die Mittel des Königs nicht
zur völligen Durchführung des Planes. Von dem gesamten Entwurf kam nur
der östliche Teil, und auch dieser nur teilweise zur Ausführung.
[Illustration: Abb. 11. =Großsedlitz aus der Vogelschau=
(Nach einer Zeichnung des Verfassers)]
Ein Originalplan der Staatsbibliothek in Dresden, bezeichnet: »Plan
de Sedlitz 29. Januar 1732«, gibt den Zustand der Schöpfung wieder,
wie sie gegen Ende der Regierungszeit Augusts des Starken geplant
war und wie sie nahezu auf uns überkommen ist. (Abbildung 3.) Denn
nach dem Tode des kunstsinnigen Königs (1733) erlosch das Interesse
für Großsedlitz. Sein Sohn und Nachfolger August II. führte den
großzügigen Plan seines Vaters nicht weiter, wenn er auch hier oft
sein Hoflager aufschlug und die Ordensfeste in alter Pracht mit
wenigen Unterbrechungen jährlich am 3. August hier feierte. Noch 1756,
während Friedrich der Große schon seine Zurüstungen zum Einmarsch in
Sachsen vorbereitete, hielt er unter Lust und Jubel ein Ordensschießen
ab. Niemand ahnte wohl damals, daß anstatt der lustigen Fanfaren
beim Ordensfest schon wenige Wochen danach die Kriegstrompete hier
erschallen würde, daß die friedlichen Räume und die Wasserkünste
zerstört, die kupferne Bedachung des großen Orangeriehauses
herabgerissen und in die feindlichen Arsenale gesendet, die Statuen
aber fast ohne Ausnahme verstümmelt sein würden, wie uns Abendroth
berichtet. Neue Kriegsstürme um 1813, in welchen der Garten selbst zum
Schauplatze von Kämpfen wurde, schlugen weitere Wunden.
[Illustration: Abb. 12. =Großsedlitz. Blick auf das Orangerieparterre=
von der Terrasse oberhalb der stillen Musik]
Erst unter König Friedrich August II. (1836 bis 1854) und seinem
Nachfolger ging man an den Wiederaufbau. Zunächst wurde ein Teil
der Statuen, die neunzig Jahre verstümmelt und grau mit Moos und
Flechten überwachsen auf ihren Postamenten gestanden, in alter Weise
hergestellt, ein Umbau der großen Freitreppen am Orangerieparterre
vorgenommen und die Orangeriehäuser erneuert. Das 1813 zerstörte
Schloß wurde in den Jahren 1872 bis 1874 nur etwa in ein Drittel
der alten Größe wieder aufgebaut. War es schon vorher zu bescheiden
in seinen Abmessungen, um der großzügigen Gartenplanung einen
wirkungsvollen Abschluß zu geben, so steht es nunmehr als ein
bescheidener Bau ohne rechte Beziehung ziemlich verloren in der
Gesamtanlage. Und endlich wurde aus mangelnden Mitteln auf die
Wiederherstellung der Wasserkünste verzichtet und damit der Anlage ein
Hauptreiz genommen. Wenn wir auch annehmen müssen, daß die früheren
Wassermengen nicht eben bedeutende waren, so dürften sie doch genügt
haben, um die gewollte Wirkung einigermaßen zu erreichen. Die wenigen
durch eine neue Leitung heute mit Wasser gespeisten Becken können
nicht als Ersatz gelten. Wenn trotzdem der Garten von Großsedlitz auch
heute noch eine tiefe Wirkung ausübt, so vermag man zu erkennen, welch
bedeutsames Kunstwerk hier entstehen sollte, dessen heutige Gestalt wir
nunmehr durch einen Rundgang kennenlernen wollen.
[Illustration: Abb. 13. =Großsedlitz. Die große Freitreppe zwischen
Orangerieparterre und Kaskadenanlage=]
Wir betreten heute den berühmten alten Garten durch die Gärtnerwohnung
hinter dem Knöfelschen Orangeriebau und befinden uns hier auf der
oberen Terrasse, auf welcher in der Planung Augusts des Starken
(Abbildung 2) die Schloßbauten entstehen sollten. Hier erschließt
sich ein reizvoller Blick auf die Rückseite des Knöfelschen
Orangeriebaues. (Abbildung 4 und 5.) Beschnittene Hecken säumen die
Wege und umschlossen einst ein großes Wasserbecken (Abbildung 3) von
dem die Speisung einiger Wasserkünste erfolgte. Heute ist die Fläche
zu Frühbeetanlagen ausgenutzt. In der Mittelachse führt eine breite,
im Schnitt gehaltene Allee (i i auf Abb. 3) auf der oberen Terrasse
entlang, mit steinernen Ruhebänken zu beiden Seiten. In der Mitte
öffnet sich eine freie Aussicht auf den tiefer liegenden Garten. Wir
stehen oberhalb eines runden Wasserbeckens, aus welchem ehemals drei
glitzernde Wasserstrahlen emporstiegen. Feingeschwungene Freitreppen
vermitteln den Höhenunterschied von etwa vier Meter. Die Balustraden
zieren große Vasen mit Reliefporträts in feiner Sandsteinarbeit. (Abb.
6.) Wir gelangen hinab in ein großes Parterre, einem ebenen Wiesenplan,
der ehemals durch eine reich verzierte Borde eingefaßt war. Nach einem
Plane in der Sammlung für Baukunst sollten an den Längswänden, die
durch Heckenwände oder Gitterwerk gebildet waren, zwischen Ruheplätzen
in halbkreisförmigen Nischen je fünf Wasserkünste, insgesamt zwanzig,
das Bild beleben. Heute sind nur noch die begrenzenden Heckenwände
vorhanden und trotz aller Einfachheit ergibt sich auch heute noch durch
die fein abgewogenen Raumverhältnisse ein starker Eindruck. Rechts,
nach dem Schlosse zu, ist das Parterre durch eine Steinbalustrade
abgeschlossen. Zwei steinerne Sphinxe bewachen den Eingang, während
nach links Waldstätten anschließen. Wir gelangen hier zunächst in ein
großes Rundteil von etwa achtundzwanzig Meter im Durchmesser, wo vier
Statuen, die Allegorie des Ackerbaues, der Fischerei, die Siegesgöttin
Viktoria und die Hygiea wirkungsvolle Aufstellung gefunden haben. In
den anschließenden Waldstätten war eine Kegelbahn untergebracht und
ein Naturtheater geplant, was jedoch heute nicht mehr vorhanden ist
und wohl überhaupt nicht zur Ausführung kam. Die Längsachse des großen
Wiesenparterres findet nach links ihren Abschluß durch ein sogenanntes
»Aha«. Die Einfriedigungsmauer ist hier unterbrochen und der Abschluß
durch einen gemauerten Graben ersetzt, damit der Blick ins Weite
geführt wird. Im Vordergrund auf Abbildung 7 ist das Aha zu erkennen
und zeigt das Bild den Blick von hier nach dem Schlosse zu.
Wir kehren nach dem Wiesenparterre zurück und treten auf einen
der drei bastionartigen Austritte oberhalb des durch Longuelune
geschaffenen Orangeriegebäudes. Hier bietet sich ein köstliches Bild.
(Abb. 8 und 9.) In der Tiefe breitet sich das Orangerieparterre aus,
dessen ursprüngliche Gestalt in einem Originalplan in der Sammlung
für Baukunst ersichtlich und in meiner »Sächsischen Gartenkunst«
wiedergegeben ist. Den Mittelweg flankieren zu beiden Seiten lange
schmale Wasserbecken, in denen einst je neun kleine Fontainen
sprangen. Auf den Wegen, die den vertieften Rasenplatz umgeben,
stehen noch heute eine große Anzahl Orangeriebäume. Ehemals war die
Orangerie dieses Gartens sehr berühmt. Iccander berichtet »von dem
Hoch-Reichs-Gräflichen Wackerbarthischen Garten zu Sedlitz, der
seinesgleichen weit und breit in Deutschland nicht haben wird, daß
der fleißige orientalische Kunst- und Lustgärtner Herr Meyer mehr
als zwanzigtausend rare Indianische und andere ausländische Gewächse
konservieret und man zwei amerikanische Aloen siehet, die wohl in
kurzer Zeit zur Blüte getrieben werden dürften«. Am etwas erhöhten
äußeren Rand des Parterres stehen stumpfe, kegelförmig verschnittene
Buchen, so weit gesetzt, daß der Durchblick noch frei, aber in der
Perspektive das Bild geschlossen erscheint, und der Blick auf die
Mittelgruppe, die sogenannte »stille Musik«, gelenkt wird (Abb. 10),
ein Meisterwerk Pöppelmannscher Gestaltungskraft. Zu beiden Seiten
eines Wasserbeckens führen geschwungene Treppen hinauf zum oberen
Parterrerundgang. Zwölf kleinere Figuren von ungemein reizvoller
Wirkung zieren die Treppenbalustraden. Darstellungen musizierender
Tritonen haben ihr den Namen »stille Musik« gegeben – mit vollem
Recht. In der Mitte des Wasserbeckens sprang einst eine Fontäne,
die den Blick weiter hinaufführte in die freie Landschaft, denn
eine Allee durchschneidet die hohe noch unter Schnitt gehaltene
Waldstatt, die das Parterre bogenförmig abschließt. Zu den hohen
dunklen Heckenwänden stehen die weißen Statuen in ihrer bewegten
Haltung in wirkungsvollem Gegensatz. Wenn Großsedlitz weiter nichts
böte, als dieses in Abmessungen und räumlicher Gestaltung wundervoll
gelungene Orangerieparterre, so genügte es allein schon, um diese
Gartenschöpfung als eine der bedeutendsten aller Zeiten zu bezeichnen.
Daraus ist zu ermessen, daß diese Anlage unbedingt vor weiterem Verfall
geschützt werden muß. Vor allem bedürfen die in ihren Abmessungen so
trefflich gelungenen Treppenanlagen zu beiden Seiten des Parterres
wie auch die »stille Musik« dringend einer gründlichen Ausbesserung.
Die vor dem Orangeriehaus heute aufgeschlagene Freilichtbühne stört
durch ihre Stuhlreihen den großen Eindruck und würde besser in einem
abgeschiedeneren Teil des Parkes untergebracht werden.
Wir benutzen nun die großen Freitreppen, um vom oberen Wiesenparterre
nach der »stillen Musik« zu gelangen und von hier aus das
gegenüberliegende Parkbild zu genießen. (Abb. 11 bis 13.) Mit großem
Geschick ist der Höhenunterschied zwischen dem oberen Wiesenparterre
und dem tieferen Orangerieparterre zur Anlage des Orangeriehauses
benutzt. Es wurde im Jahre 1862 neu aufgeführt, auch mit Wasserleitung
versehen und öffnet sich in weiten Bogen nach dem Garten zu, so recht
geeignet, in heißer Sommerszeit schattigen Wandelgang zu bieten. Der
Entwurf Longuelunes hierfür ist noch erhalten, aus dem ersichtlich
ist, daß statt der Rundbogenfenster früher Flachbogenfenster gewählt
waren. Die große Horizontale des Baues wird unterstrichen durch hohe
beschnittene Heckenwände, hinter denen die kubisch beschnittenen Alleen
der höher liegenden Gartenteile sichtbar werden.
[Illustration: Abb. 14. =Großsedlitz. Blick nach dem alten
Orangeriegebäude und dem Schloß=]
Wenden wir den Blick weiter westlich, so erscheint ein noch
malerischeres Bild. Den oberen Abschluß, auf schmaler Terrasse, bildet
das alte Gewächshaus, von Knöfel erbaut, einfach in den Formen,
doch im Umriß fein abgestimmt. (Abb. 14.) An dieser Stelle war in
der erweiterten Planung von August dem Starken der große Schloßbau
geplant und daher diese Achse als Hauptperspektive besonders reich
ausgebildet worden. Wenige Stufen führen vom Orangeriebau Knöfels zu
dem vorliegenden großen Hauptparterre hinab, in vier Felder gegliedert,
von denen die hinteren zwei nach Art der Teppichbeete ehemals reich
geziert waren. Heute haben hier die Arzneipflanzen-Siedlungen der
Hofapotheke ihren Platz gefunden. Störend wirken die vielen großen
Namentafeln, die etwas kleiner auch ihren Zweck erreichen und nicht
so unangenehm auffallen würden, wie überhaupt hier in der Kriegszeit
angepflanzte Nutzsträucher und dergleichen endlich beseitigt und
gepflegte Anlagen geschaffen werden sollten. Vor den ehemaligen zwei
großen Teppichbeeten liegen zwei große Wasserbecken, deren Brunnen
heute nicht mehr springen. (Abb. 15.) Eine Steinbalustrade als
Bekrönung der hohen Futtermauer schließt dies Parterre gegen den tiefer
liegenden Garten ab, zu welchem reich gegliederte Kaskadenbecken
hinabführten, heute noch erkenntlich an den großen Vasen, die als
Wasserbecken gedacht waren. (Abb. 16.) Aus vorhandenen Plänen
geht hervor, daß auf der ersten Kaskadenmauer beiderseits je vier
Springbrunnen angeordnet waren, während die Mitte eine größere Fontäne
beherrscht. Auf dem nächst niederen Absatz werden die Wasserkünste
kleiner, je zwei bescheidenere Strahlen treten an Stelle des großen,
und plätschernd sollte sich wohl das flüssige Element in das große
unterste Becken ergießen. Gegenüber aber rauschte von der waldigen Höhe
aus einem engen, von Statuen umgebenen Becken das Wasser in zahlreichen
schmäleren Fällen in Form einer Kaskade herab. Es sammelte sich im
untersten großen Becken, welches zwei treffliche Statuen schmücken.
Mit feinem künstlerischen Gefühl wußte der entwerfende Künstler die
Wirkung durch die seitlich im Waldesdunkel liegenden Fontänenbecken zu
heben, deren ehemals springende Wasser im stimmungsvollen Akkord zur
Wassertreppe traten. (Abb. 17.) Durch diesen pyramidenförmigen Aufbau,
diese allmähliche Steigerung ist ein Gesamtbild geschaffen worden, wie
es reizender kaum gedacht werden kann. Nicht wenig tragen die acht
trefflichen Doppelstatuen in ihrer fein bewegten Umrißlinie zur Wirkung
des Gesamteindruckes bei. Weiter müssen wir uns zur Vollständigkeit
des Bildes die seitlichen Treppen der Kaskade von einer lustwandelnden
Hofgesellschaft belebt denken. Sie steigen die Stufen gemessenen
graziösen Schrittes empor, um am Ende der Allee im gegenseitigen
Austausch die herrliche Aussicht auf die von ferne winkenden Zinnen
von Pirna und die malerisch im Nebel verhüllten Berge der Sächsischen
Schweiz genießen zu können. In trautem Zwiegespräch kehren sie zurück
und verlieren sich in den weiten Räumen des Gartens.
[Illustration: Abb. 15. =Großsedlitz. Das alte Orangeriegebäude mit
vorliegendem Wasserbecken=]
Wir wenden uns mit ihnen zu den schattigen Ruheplätzen, welche zu
beiden Seiten der Kaskade in einer Geraden angelegt sind. Ganz links
erfreut unser Auge die kräftige Gestalt des farnesischen Herkules (Abb.
18), während bei der Kaskade Cybele, die Göttin der Erde, und Juno,
die Himmelskönigin, wohl die beste Statue des Gartens, unseren Blick
fesseln. Steinerne Ruhebänke laden ein zu näherer Betrachtung.
[Illustration: Abb. 16. =Blick auf das große Kaskadenbecken, dahinter
das Orangerieparterre=]
Nicht alle Statuen des Gartens besitzen höheren Kunstwert, aber durch
ihre meisterhafte Aufstellung geben sie dem Garten reiches Leben. (Abb.
19 und 20.) In der Aufstellung der Plastiken hatte man von Frankreich
gelernt. Überall setzt der Künstler seine Statuen gegen den dunklen
Hintergrund der Hecken, überall sieht man sich in Gesellschaft der
alten Götter, nur sind diese aus den hellen reinen Höhen des Olymps
herabgestiegen in die Sphäre der Kulissen und haben vielfach Gestalt
und Ausdruck bekannter Mitglieder des Hofes angenommen. Sie gaben so
reichen Stoff zur Belehrung und Belustigung. Die später angebrachten
Namentafeln aus Blech sollte man bei einer Instandsetzung, die in
vielen Fällen dringend nötig ist, beseitigen.
[Illustration: Abb. 17. =Großsedlitz. Blick auf die »Wassertreppe«=
(Aufnahme des Verfassers)]
Wir aber lenken nun unsere Schritte weiter westlich nach der großen
Allee, welche die Achse des ehemaligen Schlosses aufnimmt und in die
Weite führt. Dieser Teil der Planung ist in den Anfängen stecken
geblieben. Nach der unter August dem Starken vorgenommenen Umplanung
sollte hier ein zweites Orangerieparterre entstehen, was aber aus
Mangel an Mitteln nicht zur Ausführung kam.
[Illustration: Abb. 18. =Großsedlitz. »Herkules«=]
So ist Großsedlitz ein Torso geblieben. Ihm fehlt der bestimmende
Schloßbau, der die reiche malerische Gartenanlage zur Einheit
zusammenschließt. Was aber in seinen Einzelteilen geschaffen worden
ist, gehört zu dem Schönsten und Reifsten, was die Gartenkunst je
hervorgebracht hat. Hier ist die Verfolgung des Zieles gelungen, das
der bekannte Gartentheoretiker Daviler dahin bezeichnet, daß die
größte Kunst bei der Anlage von Gärten in der Benutzung der Vorteile
und Fehler des Grundstücks bestehe bei geringster Veränderung der
Bodenlage. Die auf jene verwendeten Kosten seien doppelt mißliche,
weil man den Erfolg nach Vollendung der Arbeit nicht sehe. So ist es in
Großsedlitz gelungen, durch Benutzung vorhandener Bodengestaltung ein
Gartenkunstwerk zu schaffen, dessen höchste Werte in den wundervollen
Raumgestaltungen seiner Einzelteile liegen. Es ist auf dem Gebiete
der Gartenkunst – etwa wie der Zwinger als Architekturschöpfung – ein
einzigartiges Werk.
[Illustration: Abb. 19. =Großsedlitz. »Afrika«=]
Ich sah Großsedlitz nach Jahren wieder, an einem sonnigen Herbsttage
in einer wunderbaren Herbststimmung. Der Eindruck war stärker
denn je. Etwas ging wohl auf Kosten der prächtigen Herbstfärbung,
andererseits fehlte jedweder blühende Blumenflor und auch der Schmuck
der bereits eingewinterten Orangenbäume. Ganz klar und einfach trat
darum die Struktur dieses einzigartigen Gartens zu Tage, allein das
Raumkunstwerk von Großsedlitz sprach und wirkte – wirkte tiefer noch
als je.
[Illustration: Abb. 20. =Großsedlitz. »Adonis«=]
Das ist wirklich Großes, was sich so behaupten kann, ohne jedwede
schmückende Zutat, was noch eine unvergängliche Wirkung ausübt – im
Sterben –. Ja, vom Sterben dieser einzigartigen Schöpfung raunte es in
den Wipfeln und in den Hecken und auf dem Rasen und in dem Gestein.
Wie lange noch werd’ ich dem Schicksal trotzen, das mich verstoßen,
vergessen –, vergessen im Weichbild einer Großstadt, in einer Zeit, wo
man den Wert von Grünflächen für die Volksgesundheit erkannt hat, von
einer Stadt, die noch heute vom Ruhm der Werke zehrt, deren Meister
auch mich erschufen – mich als ein einzigartiges Werk in der ganzen
Geschichte der Gartenkunst, unberührt vom Geist der Sentimentalität
und Romantik, dem so manche Anlage der Barockzeit zum Opfer fiel, der
auch mich wohl erfaßt hätte, wenn ich nicht von jeher als Stiefkind
behandelt worden wäre, das weit draußen vor den Toren von Dresden der
Vergessenheit anheim fiel. Aber noch sträube ich mich mit aller Kraft
gegen das Sterben. Unsere Wurzeln sind gesund, versicherten die Hecken
und die Waldstätten. Etwas mehr Pflege, und wir werden es euch danken
durch frischeres Grünen und Blühen. – Verschließt meine Risse und
Wunden, die mir das Alter schlug, und ich bleibe fest gefügt, flehte
das Gestein, die Balustraden, die Mauern. – Die Götter des Olymp aber
baten um ihr Leben, sie würden dann auch Jahrzehnte und Jahrhunderte
weiter unermüdlich erzählen von dem Einst, dem Geist ihrer Schöpfer und
dem lebensprühenden gesellschaftlichen Bild, das sich in diesem Garten
entfaltete.
Selbst die Sphinxe auf der oberen Terrasse, die scheinbar teilnahmlos
mit undurchdringlichem Ausdruck zugehört hatten, ließen sich nun
anklagend vernehmen. Stolz sei das heutige Geschlecht auf seine Kultur.
Stolz der Staat auf seinen Kunstbesitz, den er im wesentlichen dem
abgedankten Königshaus verdanke. Nun habe er auch von Großsedlitz
Besitz ergriffen für die Volksgemeinschaft, ohne aber das Mahnwort:
»Besitz verpflichtet« zu beherzigen. Und wo gelte das mehr als beim
Staate, der der Volksgemeinschaft verantwortlich sei für die ihm
anvertrauten kulturellen Güter.
So und ähnlich klang’s und rauschte es in diesem wundervollen
Gartenbauwerk an jenem sonnigen Herbsttag. Möchte das Klagen, Flehen
und Mahnen auch an die Stellen dringen, denen die Verantwortung und
Pflege für diesen einzigartigen Kunstbesitz obliegt. Denn selbst bei
ganz nüchterner Betrachtung und Erwägung wird man dann erkennen,
daß sofortige Hilfe not tut. Wohl wird in heutiger Zeit auch der
begeisterte Kunstfreund nicht fordern, daß große Summen bewilligt
werden, um Großsedlitz im einstigen Glanze erstrahlen zu lassen.
Das mag einer besseren Zeit vorbehalten bleiben. Zum anderen wird
es aber auch niemand verantworten können, hier ein Werk sterben zu
lassen, das einzig in seiner Art und mit verhältnismäßig bescheidenen
Mitteln zu pflegen und damit noch Jahrhunderte hindurch zu erhalten
ist. Wo ein Wille, da ein Weg. Wenn es wirklich nicht durchführbar
sein sollte, aus laufenden Etatmitteln Beträge von der Regierung bzw.
dem Landtag zu erhalten, so müßte doch zum mindesten der Staat als
großindustrieller Unternehmer die moralische Pflicht in sich fühlen,
hier helfend einzuspringen. Den sächsischen Werken, die zur Förderung
ihrer wirtschaftlichen Betriebe geradezu vernichtend in das Bild der
Heimat eingreifen, müßte es eine Ehrensache sein, auf der anderen
Seite etwas für die Erhaltung wertvoller Denkmäler der Heimat zu tun.
Wenn wir schätzen, daß schon ein Betrag von etwa fünf- bis zehntausend
Mark auf einige Jahre ausreichen würde, um die Großsedlitzer Anlage
wieder lebensfähig herzustellen, dann sollte man doch wirklich nicht
zögern, das Opfer zu bringen, und aus den wirtschaftlichen Betrieben
des Staates die Mittel zur Verfügung stellen. Ein einzigartiges
Gartenbauwerk, das zweifellos zu den reifsten Schöpfungen der
Gartenkunst aller Zeiten gehört, gilt es vor dem Verfall zu retten!
Weihnachten im »Heimatschutz«
Von _Gertraud Enderlein_
Man denkt zunächst – weil das jetzt so in der Luft liegt – die Krippe
sei die Hauptsache. Die Weihnachtskrippe, wie sie sich in einer
kernhaft volkstümlichen Schnitzerei, aus alten Holzschnittvorbildern
hervorgewachsen, mit einer nonnenhaften Maria, anbetenden Rittern,
Mönchen und Bauern im Schaufenster der Gemeinnützigen Verkaufsstelle
auf der Schießgasse aufbaut. Tritt man aber ein – und es ist ohne
Kaufzwang erlaubt und erwünscht, alle diese lieblichen Erzeugnisse
sächsischer Volks- und Kleinkunst zu beschauen – so erkennt man: hier
leuchtet in Regalen und Glasvitrinen, auf der Ladentafel und den
Verkaufstischen solch eine Fülle des Köstlichen, daß man das »Spieglein
an der Wand« um das Schönste befragen möchte, weil man sich selber
keinen Rat weiß. Man hatte nämlich im stillen gemeint, einmal müsse der
ständig Neues spendende Born versiegen. Aber nun sieht man staunend:
unerschöpflich sind die Quellen der Heimatkunst ...
[Illustration: =Krippe.= 23teilig. M. 25.—
Zu haben im Heimatschutz, Dresden-A., Schießgasse 24]
Natürlich bleibt man zunächst am Weihnachtlichen hängen. Die
erzgebirgischen Lichterkränze! Aus der Deckenwölbung schweben sie
herab, und auf dem weißen Rund des Holzrings ziehen schwarzröckige,
silhouettenfeine Bergleute in ernster Reihe auf, oder das
Heimatschutzengelchen, das mit seinem steif stehenden weißen Kleidlein
und den runden Apfelbäckchen schon unsere Feldgrauen einst glücklich
gemacht, müht sich im Kreis seiner Schwestern, die Lichtertüllen
festzuhalten. Aber da ist ein ergreifendes, Neues und doch Urältestes
hinzugekommen. Die »Bergspinnen«, die wundervollen, volksliedinnigen
Weihnachtshängeleuchter, wie sie in unserem Volkskunstmuseum soviel
Weihe und Heimeligkeit verstreuen, regen nun auch hier, vom Luftzug
der etwa zufallenden Tür berührt, ihre vergoldeten hölzernen
Glöckchenbehänge. Und nun kann man schon gar nicht anders, man muß
erst einmal die erzgebirgische Spielzeugecke aufsuchen, weil das ja
auch so etwas Ur-Weihnachtliches ist. Wie zu einer Bescherung reiht
sich’s auf, farbkräftig und bodenständig, jeglicher schematischen
Gleichförmigkeit entkleidet, persönlich durchfühlt bis ins kleinste.
Hier hat Direktor Seifert in Seiffen seines Amtes gewaltet, naives
Bauernkönnen künstlerisch beeinflussend, hat die Gänseliesel und die
Schweinefamilie so lebenstrotzend und formenschlicht dabei gestalten
helfen, daß auch die Großen sich am liebsten solch eine erheiternde
Spielschachtel für die dunklen Winterwochen mit heimnehmen möchten.
Es ist auch eine Puppenstube vorhanden; die hält sich aber ein wenig
abseits, weil sie in aller kleinbürgerlichen Einfachheit zu kostbar ist
mit ihren bemalten Möbelchen, ihren festen Stuhl- und Sofabezügen, den
handgedrehten Schüsselchen in der angrenzenden Küche, – dieses winzige
Abbild biedermeierlichen Behagens. Und es gibt fröhliche Hampelmänner
und eine ganz urwüchsige Art Menschlein aus Stoff und Holz, die der
Dresdner Kunstgewerbler W. Seifert geschaffen und die höchst putzig,
eine drollige Charakterpuppensippschaft, auf festen Holzschuhen durchs
Leben steigen. Ein Motiv, das die Leipzigerin Mußmann noch mehr ins
Karikistische hineingesteigert hat. Und seltsame hölzerne Märchenvögel,
von allerkleinsten Händchen leicht durchs Zimmer zu führen, auch
von Seiferts Gnaden, heben den Kopf mit den listigen Augen und dem
mächtigen Schnabel aus dem gedrungenen Leib; man würde sich keinen
Augenblick verwundern, wenn die derbe Hülle sänke und ein schöner
Königssohn den Flügeln dieses Fabelwesens entstiege.
[Illustration:
M. 4.— 2.80 4.50 2.— 1.70 1.40
=Weihnachtsmänner=
Zu haben im Heimatschutz, Dresden-A., Schießgasse 24]
[Illustration: =Engel-Musikanten.= Stück M. 1.40
Zu haben im Heimatschutz, Dresden-A., Schießgasse 24]
Nein, die großen Leute brauchen sich durchaus keinen Hühnerhof, keins
dieser dauerhaften Eisenbahnzüglein mit Personenwagen und Kipploris
mit heimzunehmen. Der gute Geist des Heimatschutzes bedenkt auch sie
mit allerlei Nützlichem und Freundlichem aus den Handwerksstuben
des Sachsenlandes. Da sind die Grünhainichener Spankörbe, mit gut
verteilter Blumenornamentik bemalt, die Spanschachteln, auf denen
wie auf den stämmigen Holztruhen ganze phantastische und doch mit
allen Wurzelfasern im Heimatlichen wurzelnde Blumenwiesen erblühen.
Gedrechselte Schalen und Dosen – wie hier die Wirkung des erlesenen
Materials durch sorgfältigste Behandlung gesteigert ist! – bieten sich
für Schreib- und Nähtisch als schmückende, zweckvolle Vervollständigung
an, und die »Blaubeerenkinder«, die eigentlich ins Lager der
Reiseandenken gehören und als solche jetzt ausgeführt werden dürfen,
betteln geradezu um ein Plätzchen im Glasschrank daheim. Zum Holz
aber gesellt sich der andere Stoff, darauf fast alles Kunstschaffen
im Heimatschutz gegründet ist: die gebrannte Erde, der Ton. Die junge
Hausfrau streichelt mit den Augen all die festen farbenmunteren
Tassen und Kannen, die liebevoll entworfenen Lausitzer und Frohburger
Ziergefäße mit den flammenden Herzen und den holden Röslein unter
der blanken Glasur, schmückt schon in Gedanken den Tannenbaum mit
dem zierlichen tönernen Behang, darin die Zeichen des Tierkreises so
kindlich-einprägsam festgehalten sind, und stellt wohl auch schon solch
einen vergnüglichen Kohrener Tonvogel, den der Künstler in irgendeiner
charakteristischen Bewegung in die Form gebannt, für das Allerkleinste
darunter.
[Illustration:
M. 1.80 1.— 1.60 —.80 1.40 —.85 1.20 1.40
=Weihnachtsengel=
Zu haben im Heimatschutz, Dresden-A., Schießgasse 24]
Es ist eine unendliche Weihnachtsfreude, zwischen den Schätzen der
Gemeinnützigen Verkaufsstelle einherzustreifen und sich dies und jenes
als eine liebe Gabe oder einen ehrlichen treuen Hauskameraden für
durchaus nicht überhohen Preis mitzunehmen. Man wandelt wie auf einem
schönen Stern und steht doch mitten im Irdischen. Und aus allen Ecken
hört man Weihnachtslieder.
[Illustration: =Schaukelpferd.= M. 24.—
Zu haben im Heimatschutz, Dresden-A., Schießgasse 24]
Bücherbesprechungen
=Cornelius Gurlitt, August der Starke.= Zwei Bände. Im Sibyllen-Verlag,
Dresden 1924.
Ein stattliches, gut ausgestattetes, mit reichem Bilderschmuck
versehenes Werk von zwei Bänden mit insgesamt 872 Seiten Text liegt
vor uns. Es ist also dem Verfasser für den großen Gegenstand, den
er behandelt, auch der nötige Raum von der Verlagsanstalt bewilligt
worden, um nicht nur das eigentliche Leben und Wesen seines Helden,
sondern auch die wirtschaftlichen, staatlichen, geistigen und
religiösen Zustände des ganzen Zeitalters ausführlich darzustellen.
Und daß der Verfasser in alle diese Verhältnisse hineinleuchtet, zeigt
schon die ins einzelne gehende Gliederung des Stoffes. Der erste Band
enthält die fünf großen Abschnitte: 1. Der Prinz. 2. Fürstenrecht.
3. Der König. 4. Das Volk. 5. Der Staat; und dieser 5. Abschnitt
z. B. gliedert sich wieder in die Kapitel: Regierung und Hof. Die
Stände. Steuern. Geld. Geldgeschäft. Gewerbepolitik. Die öffentliche
Meinung. Der zweite Band enthält die drei Abschnitte: 6. Die Kirche.
7. Industrie und Handel. 8. Die Kunst. In diesen Abschnitten und
Kapiteln wird eine erstaunliche Fülle von Stoff vor uns ausgebreitet,
so daß man dem Verfasser wegen seines Fleißes und seiner Belesenheit
die Bewunderung nicht versagen kann. Freilich ist man verhältnismäßig
selten in der Lage, die Herkunft und Zuverlässigkeit des Stoffes zu
prüfen, da die Quellenangaben meist fehlen. Gurlitt sagt darüber
im Vorwort: »Es schien mir dabei nötig, alle fachwissenschaftliche
Belastung von dem Buche fern zu halten, um es nicht allzusehr
auszudehnen.« Aus diesem Grunde hat Gurlitt seine Quellen in dem
»zeitgenössischen Schrifttum« gesucht, das ihm die Sächsische
Landesbibliothek in ausgiebigstem Maße zur Verfügung stellte, nicht
aber in einem ausgedehnten Studium des noch ungedruckten in den
Archiven ruhenden Stoffes. Trotzdem ist nicht zu verkennen, daß unser
Wissen über August den Starken durch Gurlitts Buch erweitert worden
ist, da er aus der Geschichte der Technik und der Künste – Gebiete, mit
denen Gurlitt ganz besonders vertraut ist –, vieles zur Beurteilung
Augusts des Starken heranzieht, was man in den bisher über diesen
Fürsten geschriebenen Büchern nicht liest. Mit Recht weist er immer
wieder (z. B. II, 158) darauf hin, daß »der Zug, durch Wissenschaft die
Erfolge des Gewerbes zu heben« zwar schon vor August dem Starken in der
sächsischen Kultur bemerkbar ist, aber gerade durch August den Starken
und seine Verbindung mit Männern wie Leibniz und Tschirnhausen sehr
stark entwickelt worden ist.
Bei der Fülle des Gebotenen hat sich da und dort auch ein Fehler
eingeschlichen. So ist z. B. Hans Ernst von Knoch (I, 20 f.),
der Erzieher Augusts, nicht erst gegen das Ende seiner Laufbahn
geadelt worden, sondern entstammte einer altadeligen Familie aus
dem Anhaltischen, auch war die Habsburgerin Maria Josefa, die
Schwiegertochter Augusts, nicht »die erste Frau« aus kaiserlichem Hause
in der Stammrolle der Wettiner (I, 12g) und die ~Academia Leopoldina
naturae curiosorum~ (II, 147) hat nichts mit »Merkwürdigkeiten« zu
tun. Man kann auch nicht allen von Gurlitt ausgesprochenen Urteilen
beipflichten. Ob dem Prinzen August zu der Zeit, als er sich zur
»großen Tour« anschickte, das Prädikat »im Auftreten schüchtern«
zukam, kann man bezweifeln. Schilderte sich doch August selbst (I,
18) »als einen frischen Jungen, der nichts achtete« und stellte doch
auch Liselotte v. d. Pfalz fest (I, 27), er habe »mehr Vivazität als
sein Bruder.« Ganz verfehlt ist es, wenn Gurlitt (I, 126) Augusts
Übertritt zum Katholizismus mit der Haltung des Herzogs Moritz im
Schmalkaldischen Kriege auf eine Stufe stellt. Moritz hat nie daran
gedacht überzutreten, er war in einer schweren Notlage eine kurze
Zeit Bundesgenosse Karls V., wurde aber bald darauf der Retter des
Protestantismus und eines unabhängigen Deutschlands. Auch die großen
politischen Probleme, die August den Starken beschäftigten, sind nicht
klar genug formuliert und leiden an einer gewissen Unsicherheit des
Urteils, die sich da und dort in einem die Wirkung beeinträchtigenden
Hinundher der Darstellung bekundet. Am höchsten nach Inhalt und
Form sind die Kapitel zu bewerten, die über die wirtschaftlichen,
gewerblichen und künstlerischen Verhältnisse des Zeitalters Augusts des
Starken berichten. Hier kommt die einzigartige Erfahrung, die Gurlitt
durch mehr als ein Menschenalter an Denkmalspflege und an Studium
der Bau- und Kunstgeschichte Sachsens hinter sich hat, glänzend zur
Erscheinung. Alles in allem ist Gurlitts Werk eine sehr beachtliche
Leistung. Es ist nicht die Geschichte Augusts des Starken, auf die
wir schon längst warten, die aber ohne gründliche und umfassende
Archivstudien nicht geschrieben werden kann, wohl aber ist es ein unser
Gesamtwissen über August den Starken vermehrendes und auf eine breitere
Basis stellendes Werk und zugleich ist es ein Denkmal der Universalität
des Strebens, zu dem sich sein Verfasser in einem überaus tätigen und
erfolgreichen Leben durchgearbeitet hat.
_Otto Eduard Schmidt_
Für die Schriftleitung des Textes verantwortlich: Werner
Schmidt – Druck: Lehmannsche Buchdruckerei
Klischees von Römmler & Jonas, sämtlich in Dresden –
Photographische Platten »Sigurd« und »Satrap«, photographische,
sowie kinematographische Aufnahme- und Wiedergabeapparate
»Ernemann«
Bücherbesprechungen:
=Sächsischer Bauern-Kalender 1926.= Herausgegeben von der
Landwirtschaftskammer für Sachsen. Bearbeitet von Dr. Horst Höfer,
Meißen, Bildschmuck von A. Weßner-Collenberg. Preis 3 M. Zu haben im
Heimatschutz, Dresden-A., Schießgasse 24.
Zum fünften Male nimmt der stattliche Bauern-Kalender seinen Weg hinaus
in das sächsische Land. Was er bei seinem erstmaligen Erscheinen
versprach, hat er treulich gehalten; er ist ein Kulturwerk geworden,
auf das wir Sachsen stolz sein können. Der künstlerisch vollendet
ausgestattete Kalender ist als Pionier des guten Geschmacks in das
Bauernhaus gezogen, wo er vielfach der bevorzugte Lesestoff des Jahres
ist, und hat dort die ärmlichen, ja oft erbärmlichen Kalendermachwerke
früherer Zeit verdrängt und den Sinn für das Gute und Schöne geweckt.
Aber nicht nur das! Der Bauern-Kalender ist auch ein treuer Pfleger
des Schollenbewußtseins und der Heimatliebe. In jedem der vielen
prächtigen Bilder von der Meisterhand A. Weßner-Collenbergs spiegelt
sichs wieder: Wie schön ist doch unser liebes Sachsenland! Und aus
jedem der zahlreichen, belehrenden und unterhaltenden Aufsätze klingts
hervor: Wie reich ist unser Bauernland und wie kraftvoll und stark ist
noch unser Bauernstand, der Urquell unserer Volkskraft. Nicht nur der
Landmann wird seine Freude an dem prächtigen Kalenderbuche haben, jeder
Freund des ländlichen Sachsens – und wer wäre das nicht! – wird sich
mit hohem Genuß hinein vertiefen. Daß die Auswahl des Stoffes und die
ganze Zusammenstellung und Ausstattung des Kalenders nichts zu wünschen
übrig lassen, war nach dem, was die früheren Jahrgänge geboten haben,
nicht anders zu erwarten.
_Klengel._
=Weicher, Dr. G. und Wiese, A. Die Augen auf!= Heimatbücher für
die weitere Umgebung von Dresden. Band I: Gesteine und Landschaft.
Leipzig, F. Hirt & Sohn. 1926. M. 4.50. Zu beziehen vom Heimatschutz,
Dresden-A., Schießgasse 24.
Ein feiner geographischer Beobachter und ein tüchtiger Photograph
(Studienräte an einer Dresdner Oberrealschule) haben sich
zusammengefunden, um die Heimatlandschaft wissenschaftlich zu
analysieren und dem denkenden Wanderer durch Bild und kurze
Beschreibung die Augen zu öffnen – zunächst für die Zusammenhänge
zwischen Erdgeschichte und Landschaftsform. »Erdgeschichtliche
Urkunden« haben wir einmal in den Heimatschutzvorträgen das genannt,
was hier geboten wird. Die Auswahl der Bilder, ihre photographische
Qualität und die technische Wiedergabe sind gleich lobenswert. Der
Text ist sehr geschickt dem Raum angepaßt, kurz und klar. Die ganze
Aufmachung des Quartbandes ist im besten Sinne »friedensmäßig« – eine
schöne Gabe für den Weihnachtstisch!
_Dr. P. Wagner._
Ein deutsches Weihnachtsspiel:
»Im Stall zu Bethlehem«
In vier Aufzügen mit Text, Buntfiguren und Anleitung zum Bühnenbau
bearbeitet von _M. Brethfeld_ und _Th. Göhl_
Verlag: Landesverein Sächsischer Heimatschutz, Dresden-A., Schießgasse
24
Preis M. 2.—
Bestellkarte in diesem Heft
Infolge Arbeitsüberhäufung durch die mit sehr schönem Erfolg
abgeschlossene Geldlotterie unseres Vereins, bei der unsere Mitglieder
in dankenswerter Weise mithalfen, ist es uns nicht möglich, in diesem
Jahre noch weitere Nummern unserer Mitteilungen erscheinen zu lassen.
Wir holen aber das fehlende Heft im nächsten Jahre bestimmt nach.
Besucht das Landesmuseum für Sächsische Volkskunst im Weihnachtsschmuck!
=Dresden-N., Asterstraße 1= (beim Zirkus)
Gesänge, weihnachtliche Darbietungen von Kindern, Schülern und
Schülerinnen, _Kurrendensängern_, Vereinen und Einzel-Sänger und
-Sängerinnen
Vom 17. Dezember 1925 bis mit 3. Januar 1926, wochentags 9–2 Uhr,
Sonntags 11–1 Uhr, alle Nachmittage 5–7 Uhr
Außerdem noch =drei Abendfeiern=: Sonntag, den 20. Dezember und 27.
Dezember und Mittwoch, den 30. Dezember =8–10 Uhr=
Donnerstag, den 24. Dezember und Donnerstag, den 31. Dezember
_nachmittags geschlossen_
Die Eröffnung findet Donnerstag, den 17. Dezember, 5 Uhr, mit einigen
Christspielszenen statt
O. Seyffert R. Bürckner
Lehmannsche Buchdruckerei, Dresden-N.
Weitere Anmerkungen zur Transkription
Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Die
Darstellung der Ellipsen wurde vereinheitlicht.
Die Bandnumerierung auf S. 321 weicht vom Titel ab, da
ursprünglich ein weiterer Band geplant war (s. letzte Seiten).
*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK 74668 ***
Landesverein Sächsischer Heimatschutz — Mitteilungen Band XIV, Heft 9-12
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Buches.
Monatsschrift für Heimatschutz, Volkskunde und Denkmalpflege
_Inhalt_: Otto Eduard Schmidt – Das neue sächsische Jagdgesetz und
die heimatliche Tierwelt – Weihnachten im...
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Book Information
- Title
- Landesverein Sächsischer Heimatschutz — Mitteilungen Band XIV, Heft 9-12
- Language
- German
- Type
- Text
- Release Date
- November 3, 2024
- Word Count
- 27,102 words
- Library of Congress Classification
- DD
- Bookshelves
- Browsing: Culture/Civilization/Society, Browsing: Environmental Issues
- Rights
- Public domain in the USA.
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